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1870: Feldschützengesellschaft Mumpf

Das Gründungsjahr lässt sich nach den Büchern nicht genau festlegen. Im Protokoll vom 31. März 1897 steht unter Punkt 5:

Foto mit Text Prot 97

Im Protokoll vom 2. September 1897 ist unter Punkt 2 zu lesen:
„Da mit dem Jahr 98 die Schützengesellschaft ihren 25 jährigen Bestand erreicht hat, wurde von verschiedenen Seiten angeregt, man möchte diese Erinnerung feierlich begehen.“

Es könnte also 1873 gewesen sein, denn gemäss dem Generalversammlungs-Protokoll von 1898 unternahm der Verein im selben Jahr eine Reise zum 25-jährigen Jubiläum nach Luzern: „Am 10. September war es soweit. Besammlung morgens um 2 Uhr, dann Abmarsch von Mumpf über Zeiningen, Maisprach, Wintersingen nach Sissach, von dort mit der Bahn über Olten nach Luzern. Nach einer Stunde Aufenthalt ging die Reise mit dem Dampfschiff weiter nach Brunnen. Nach dem Mittagessen und einem zweistündigen Aufenthalt fuhr die Schar mit dem Schiff zurück nach Luzern, dann per Bahn über Olten, Pratteln zur Station Stein.“ Die Schützenkasse bezahlte an die Kosten 250 Franken, den Rest hatten die Mannen selber zu berappen.

Die Lage des ersten Vereinsschiessplatzes lässt sich nicht ausmachen. Fast jährlich vor und nach 1900 fanden Grümpelschiessen statt, wobei die höchste Gabe vier Franken und die kleinste 80 Cts. ausmachte. Ebenfalls wurden öfters Freischiessen durchgeführt mit der Bemerkung „auf der Schönegg“, 1898 auch mit dem Zusatz, dass die Scheiben nummeriert werden sollten.

Es haben also vermutlich in Mumpf zwei Schiessplätze bestanden. Derjenige auf der Schönegg war ab 1896 privater Schiessstand des Schöneggwirtes Johann Bretscher. Geschossen wurde im Feldstand auf einem „Läger“ und die Scheiben waren an Pfosten befestigt, welche im Boden eingeschlagen wurden. Zur Sicherheit der Zeiger bestand ein Unterstand. Die Verständigung zwischen Schiessstand und Scheibenstand besorgten der Schützenmeister und ein Hornist: Nach erfolgtem Hornsignal des Schiessleiters zeigten die Mannen in den 1897 angeschafften roten Blusen und Mützen die geschossenen Werte.

1906 wünschte Fr. Josef Güntert eine Veränderung bzw. Verlegung des Schiessplatzes. Ende März 1907 befasste sich eine Versammlung mit den Schiessplatzangelegenheiten. Er werde folgende Stellung einnehmen: „Scheibenstand 22 Meter unterhalb des Fussweges unter dem Sandhügel, Schiessstand mit Distanz 300 auf der ‚Leimatt’, Distanz 400 auf dem ‚Rai’, Flugbahn mit ganz kleiner Steigung über Neumatt und Kapf.“ Ein Jahr später stellte Güntert Anton den Antrag, „bei der ersten Übung auf dem neuen Schiessplatz mit der Musik auszurücken und uns mit einem Fass Bier das Kaliber zu fetten!“ Geschossen wurde also auf dem Kapf, die Scheiben standen oberhalb der Rotsandgrube über dem Fischingerbach.

1909, bereits im Besitze des neuen Schiessplatzes, beteiligte sich der Verein am Gruppenwettkampf beim Schiessen auf dem Schiessplatz der Schönegg. An einer Versammlung 1909 wurden zwei Fragen aufgeworfen: „1. Bau eines Schiesshauses“, man hätte mit dem Landbesitzer, der S.B.B. bereits Unterhandlungen geführt und „2. Überdachung des Scheibenstandes.“

Der Pachtvertrag wurde 1910 unterschrieben. Im Jahr 1911 erfolgte der Aufbau des Scheibenstandes oberhalb der Rotsandgrube mit 6 Zugscheiben und die Genehmigung für den Bau vom Schützenhaus (auf der Foto mit rotem Rahmen) mit Kostenvoranschlag von 1489 Franken samt Telefonanlage. Es war bestimmt für die Schiessdistanz von 400 Metern. Der Standort befand sich am Waldrand hinter der Waldwiese. Vom Scheibenstand mit 12 Meter Länge und drei Meter Breite sind Mauerwerk, die Überdachungseisen und eine Leiter mit Ausstieg heute noch sichtbar.



Die neue Telefon- und Läutanlage wurde schon beim Einweihungsschiessen beschädigt: Die Drähte wurde von den Kugeln der Schützen herunter geschossen. Die Reaktion des Schiessverantwortlichen zu diesen und weiteren Zerstörungen: „Schützenmeister Hänggi Max stellt den Antrag, dass jeder Schütze, der mit Absicht in die Zeigerkelle schiesse, mit 50 Cts. Busse belegt werde.“

In der Zeit von 1911/1912 muss ein Zwist entstanden sein. Der Kassier erschien nicht mehr zu den Vorstandssitzungen und Versammlungen und an der Generalversammlung trat der Gesamtvorstand zurück.

Die Spaltung des Vereins
Sie beschäftigte die Schützen während Jahrzehnten. Der Grund der Abspaltung ist aus den Büchern nicht ersichtlich. Es könnten die unterschiedlichen Meinungen zu den Ausbauarbeiten am Scheibenstand und beim Schiesshaus sowie die finanziellen Beteiligungen ein Grund sein. Während 1910 der Mitgliederbestand mit 48 Mann ersichtlich ist, sind es ein paar Jahre später deren 27. Es existierte also eine zweite Schützenvereinigung, einmal als Schiessverein, ein andermal als Schiesssektion des Pontonierfahrvereins erwähnt.

An der Versammlung vom 31. August 1918 stellte der Vorstand der Feldschützen den An- trag, den Pontonierfahrverein um 100 Franken schiessen zu lassen, was abgelehnt wurde. Daniel Wunderlin stellte dann den Antrag, den PFV um 150 Franken schiessen zu lassen und gleichzeitig wieder in den Verein einzuladen. Im Oktober desselben Jahres wird der Antrag der beiden Vorstände vorgestellt, die Schuld auf dem Schützenstand zu tilgen: Die Gemeinde solle 1000 Franken übernehmen, den Rest die beiden Vereine. Gleichzeitig beschlossen sie, die 6 Scheiben auf die beiden Vereine aufzuteilen. 1919 wurde ein gemeinsames Endschiessen der beiden Vereine angeregt.

1920 heisst das 1. Traktandum der Oktobersitzung: Gesuch des Schiessvereins, ob sie am Endschiessen auch mitmachen können. Anwesend waren 14 Mitglieder der Feldschützen und 12 Mitglieder des Schiessvereins mit ihrem Präsidenten Eugen Güntert.
1922 sollte wiederum ein gemeinsames Sauschiessen mit der „Schiesssektion“ stattfinden, was die Feldschützen aber ablehnten.

Eine Einigung gab es bezüglich Läutwerk und Telefonerneuerung: Die Kosten von 150 Franken wurden untereinander aufgeteilt und durch ein gemeinsames Kegelschieben gedeckt.





1931 war die Telefon- und Läutanlage derart defekt, dass nur eine Erneuerung in Frage kam. Hierin bestand Einigkeit. Über die Kostenbeteiligungen jedoch gingen die Meinungen stark auseinander. Hier endet abrupt das Protokoll und im Protokollbuch folgen nun fünf leere, nicht beschriebene Seiten.

An der Generalversammlung vom 30. Januar 1932 ist als Nummer 7 vermerkt: „Fusionsvertrag“. Treibende Kraft dahinter war der Sonnenwirt Anz. Von den Inhalten des Fusionsvertrages ist nichts zu lesen, jedoch, dass die Diskussion sich dem Siedepunkt genähert habe. Die Abstimmung ergab Annahme des Vertrages mit 27 zu 1 Stimmen. Somit war rechtzeitig zum 60-Jahr-Jubiläum die Einheit wieder hergestellt und der Verein fand wieder zu alter Grösse. Daher mussten während der GV 1933 einige Mitglieder aus Platznot in einem Nebenraum des Anker Platz nehmen, wo sie sich mehr mit dem Jassen als mit den Traktanden auseinander setzten, darunter sogar ein Vorstandsmitglied.

Der Verein besass nach 1930 noch alte Gewehre, die nicht mehr in Gebrauch waren. Doch die 1550 Schuss Munition im Wert von 46.50 Fr. tauchten jährlich im Vermögen wieder auf. Ein Schütze beantragte, „die Munition zu verschiessen und nachher die Apparate in den Rhein zu werfen, da dieselben doch nichts wert seien.“

Der Schiessbetrieb unter dem Jahr
Aus den vielen Angeboten wie Frühlings-, Grenzschutz-, Herbst-, Sau-, Winter-, Freund- schafts-, End-, Wildbret-, Sonnenberg-, Grümpel-, Chilbi-, Ehr- und Freischiessen, kantonalen und eidgenössischen Schützenfesten wählten die Schützen ihre Schiessanlässe aus. Zu den internen Schiessen wurden in den vorgängigen Sitzungen die Stiche, die Scheibenwahl und die Anzahl Schüsse in harten Diskussionen festgelegt, ebenso die Gabenzahl und die Gabenwerte. Oft endeten die Schiesstage mit Kartoffelsalat und Schüblig oder einem Blut- und Leberwurstmahl.

1936 umfasste das Jahresprogramm zwei freiwillige Übungen, vier obligatorische Übungen, Teilnahme am Schützenfest Gelterkinden, Chilbi- und Sauschiessen mit Ehren- und Becherstich, Jungschützenkurs. Während der Kriegsjahre war der Betrieb stark reduziert: Die Soldaten leisteten Militärdienst und die Munition stand nur beschränkt zur Verfügung. Die Munitionsbestellung von 1944 belief sich auf total 3480 Schuss für den ganzen Betrieb, diejenige von 1953 total 7500 Schuss.

Viel zu tun gab der Unterhalt des Scheiben- und des Schiessstandes. Die Telefonstangen im steilen Gelände zum Scheibenstand empor fielen immer wieder den Stürmen zum Opfer, knickten ab oder wurden ausgerissen. Das Schützenhaus besass noch einen Erdboden und musste dringend betoniert werden. Die Arbeiten sollten im Frondienst errichtet werden, was viel an Diskussionen und Argwohn auslöste. Doch hin und wieder stand auch die Gemütlichkeit im Vordergrund, wenn etwa ein Fass Bier zu leeren war oder nach einem Schiessfest noch eine Besichtigung anstand, beispielsweise der Beatushöhle oder des Feldschlösschens.

Die neue Schiessanlage
Das alte Schützenhaus hatte schwere Mängel, die Scheibenanlage stand in einem Rutschhang und das überschossene Gebiet des Kapf war eine wichtige Baulandreserve der Gemeinde. Zum ersten Mal wurde die neue Schiessanlage 1946 traktandiert und verschiedene Standorte ins Visier genommen: Widmatt, Neureben, Oberberg, Reben ob der Kapelle, Kirchholz. Diverse Probleme türmten sich auf: Überschiessrechte, Zufahrtswege, Kostenvoranschläge der Handwerker, Querelen zwischen Gemeinderat, Schützenvorstand und Landbesitzern, Liegenbleiben von Aufträgen, unseriöse Kostenschätzungen, das Murren wegen der zu leistenden 40 Fronstunden.

Nachdem die Gemeindeversammlung einen dem Schützenvorstand nicht genehmen Beschluss fasste, trat dieser gesamthaft zurück. Der neue Vorstand fädelte die Sache mit den Behörden wieder ein, was zu einem neuen, allgemein annehmbaren Standortbeschluss führte. Nun trat der neue Vorstand zurück und übergab die Geschäfte 1949 wieder dem alten!

Eine Baukommission leitete die Arbeiten, die jedoch immer wieder stille standen, verständlich, hatten die Frondienstler ja auch in Hof und Haus zu tun. Bald sah man, dass jeder Schütze noch 10 Fronstunden zusätzlich zu leisten hatte. Wer die Dienste nicht leistete, musste pro fehlende Stunde 1.80 Fr. entrichten. Bei den damals 87 Mitgliedern machte dies flotte 4350 Totalarbeitsstunden aus, im „Wert“ von 7830 Franken. Doch Zank und Schweiss waren beim Standeinweihungsschiessen vom 2. September 1950 vergessen. Und der Verkauf des alten Schützenhauses für über 1500 Franken anlässlich einer Versteigerung verkleinerte die Schuldenlast. 1968 erfolgte der Beschluss auf einen Ausbau von 12 auf 14 Scheiben. Diese Arbeiten erfolgten einvernehmlich ebenfalls im Frondienst.

Informationen zum Kassawesen:
Die wichtigsten Einnahmequellen waren die Jahresbeiträge der A- und B-Schützen, der Verkauf der Hülsen, die Munitionsverkäufe an die Schützen, die Bezahlung der freiwilligen und obligatorischen Stiche, die Erlöse aus dem Chilbischiessen und den fast jährlichen Kegelschieben, die Staatsbeiträge (z.B. im Jahr 1905: 1.50 Fr. pro Mitglied).

Die wichtigsten Ämter im Verein im Laufe der Jahre hiessen Präsident, Kassier, Aktuar, Schützenmeister, Hornist, Zeigerchef, Munitionschef, Weibel, Jungschützenleiter, Zeiger, Warner, Materialwart.

Das Organisieren und Besuchen von Schützenfesten gehörte schon immer zum Vereinsleben. Das Standeinweihungsschiessen von 1950 in Mumpf ging als Grossanlass in die Vereinsgeschichte ein. Dauer sechs Tage: 14.-16. und 22.-24. Juli mit einer Plansumme von 30 000 Franken und 55 000 Patronen. Zum 80-jährigen Bestehen und zur Weihe des neuen Banners organisierte der Verein das Fahnenweihschiessen mit Festfeier vom 22. und 23. Juni 1963 mit 19 Schützenvereinen.





Anlässlich der 100-Jahrfeier im Jahr 1970 fand im Anschluss an das Jubiläumsschiessen ein Festakt mit Festansprachen aus Politik und Schiesswesen, mit Musik und Gesang statt, an dem die ganze Dorfbevölkerung teilnahm und Präsident Emil Kalt die Festrede hielt.



Der Schiessbetrieb oberhalb vom Berghof musste 2002 eingestellt werden, weil die Lärmimmissionen die Grenzwerte im Wohngebiet überschritten haben. Daraufhin ergab sich für die beiden Gemeinden Mumpf und Obermumpf nach einigen Diskussionen die Lösung für eine Gemeinschaftsschiessanlage ausserhalb Obermumpf an der Strasse nach Schupfart. Beide Schiessvereine leisteten zu den Gemeindebeiträgen etliche Anteile an Frondienstarbeiten.

Schiessanlage ob Berghof

Schiessanlage OM

Das Schützenhaus in Obermumpf 2004 besitzt sechs Schiessplätze und diverse Nebenräume. Durch die Zusammenarbeit der beiden Vereine entstanden neben dem Chilbi- und Chlausschiessen neue Schiesswettbewerbe wie Fischingertalschiessen oder Fluhschiessen.




Quellen:
Vereinsbücher
Gemeinderatsprotokolle
Geschichte und Chronik der Gemeinde Mumpf
Fotoarchiv Dorfmuseum Mumpf


Autor:
Gerhard Trottmann

1851: Kirchenchor St. Martin Mumpf

Der früheste bekannte Vermerk über den Chor stammt aus dem Kassabuch 1851 der Pfarrei Mumpf auf der Seite 191. Da sind zur Kirchenmusik unter Ausgeben aufgeführt:

1851 ältestes Dokument

- Alexander Güntert für das Orgelblasbalgziehen pro 1851 - 1.50
- Lehrer Wunderlin in Wallbach …. Leitung des Chorgesanges - 20.–
- Lehrer Güntert für das Orgelspiel pro 1851 - 20.–
- beiden Lehrern Güntert u. Wunderlin zu Handen der sämtlichen Chorsänger- 14.–

Kirchenmusik in Mumpf muss es schon „immer“ gegeben haben. In den Protokollen und Buchhaltungen der Kirchgemeinde gibt es viele Hinweise darauf. Die Protokoll- und Kassabücher aus den Anfängen des Chores sind jedoch unauffindbar. Neben der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste war ihm das gesellschaftliche Chorleben wichtig, daher gehörten die Feste und Reisen ebenso dazu. Auch die Angebote des Kreis-Cäcilien-Verbandes Fricktal wie etwa die Chordirektorenkurse, Stimmbildungskurse und die Cäcilianischen Gesangsfeste wurden regelmässig besucht. Als erstes Datum eines Kursbesuches ist das Jahr 1896 vermerkt. Besonders die Kriegsjahre und Wirtschaftskrisen bedeuteten für den Chor und die Mitglieder des Vorstandes harte Zeiten. Oft erfüllten die Vorstandsmitglieder gleich mehrere Funktionen und oftmals war der Chor durch Militärabsenzen oder auswärtige Arbeitseinsätze nur schwach besetzt. Die erste Choraufnahme stammt von 1929.

Kirchenchor 1928

Aus dem Chorleben
Lange Zeit bildeten drei Sänger den Vorstand. Zwischen 1920 und 1960 wirkten Ankerwirt Oskar Brenner, Posthalter Josef Kaufmann, Elektriker Hans Oetiker und Spenglermeister Fritz Galatti als Präsidenten.

Revolutionäres geschah an der GV im 1940: Lehrer Knecht äussert sich, „dass nahezu alle umliegenden gemischten Chöre auch Frauenstimmen im Vorstand besässen. Man möge hier energisch Stellung nehmen, damit die Frauen ihre geheimen Anträge und Meinungen an die Öffentlichkeit bringen können, damit die Beichtereien ein Ende haben.“ So erhielt der Chor mit Hermine Güntert die erste Vicepräsidentin und 1972 übernahm mit Liselotte Kalt-Güntert erstmals eine Frau die Vereinsleitung.

Die Geistlichkeit
Die Pfarrer setzten sich in unterschiedlicher Weise für den Chor ein. Einer kämpfte dafür, dass die Orgel ersetzt werden sollte, ein anderer, dass der Chor auf der Empore mehr Platz erhält. Einem Pfarrer liegt der Fortbestand des Chores am Herzen. Er wünschte an einer GV, dass sich die Braut nicht an fremdem Ort trauen lasse und dass die junge Ehefrau im Kirchenchor weiter wirke wie früher.
Das Protokoll-Zitat aus der GV 1929 muss wohl zwischen den Zeilen gelesen werden:
„Herr Pfarrer wünscht auch, dass der Kirchenchor jedes Jahr eine weltliche Veranstaltung habe. Er solle aber eine ihm gebührende Zeit innehalten. Es soll ja nie vorkommen, dass etwa einer am Morgen unter dem Tisch erwache.“

Das liebe Geld
Einen eigentlichen Mitgliederbeitrag gab es nicht. Die Vereinskasse füllte sich vor allem durch Grabgesänge. 1934 kostete ein Grabgesang allein mit zwei Liedern 20 Franken, ein Requiem allein 15 Franken. Wurde beide gewünscht, kostete dies zusammen 25 Franken. Diese Art der Geldbeschaffung scheint mit den Jahren fragwürdig geworden zu sein. 1942 kostete ein Grabgesang allein nur noch 10 Franken. Nun mussten die Mitglieder pro Monat zwei Franken in die Reisekasse bezahlen. Die Kirchgemeinde bezahlte damals dem Chor jährlich 100 Franken. Chorleiter und Organist erhielten eine Entschädigung durch die Kirchgemeinde. Zusätzlich entlöhnt werden musste der „Orgelblasbalgtreter“, bis dann der elektrisch betriebene Orgelblasbalg eingeführt wurde.

Die Chorleiter waren meist auch Schulmeister im Dorf. Mit den Arbeitsbedingungen scheinen nicht immer alle zufrieden gewesen zu sein. Lehrer Wunderlin trat dreimal zurück. 1. Er fühle sich unterbezahlt. 2. Die Arbeit setze seiner Gesundheit zu. 3. Es mache sich ein Augenleiden bemerkbar. Jedesmal beantragte er eine Gehaltserhöhung.
Verwunderliches ist vom Chorleiter und Unterlehrer Mösch zu vernehmen: Er brannte 1880 nach Amerika durch, nachdem er sich vorher den Chorleiterlohn gleich zweimal ausbezahlen liess.

Ein Chorleiter motivierte seine Leute mit „Üb Aug und Ohr im Kirchenchor.“
Mit einem Dirigenten fachlich nicht zufrieden zu sein war ein heikler Punkt. Ein Chorleiter musste der Generalversammlung versprechen, sich bei der damals bekannten Fricktaler Grösse Schlienger in Kaiseraugst weiterzubilden. Offenbar ohne Erfolg. Zwei Jahre später war der Chor mit dem Leiter noch immer nicht glücklich. Der Präsident musste nun fortan mit dem Dirigenten „den goldenen Mittelweg“ finden.
Ein besonderer Helfer in der Not war Josef Gut aus Mumpf. Immer wieder sprang er in die Lücke, wenn ein Chorleiter ausgestiegen war. Dies war insofern bemerkenswert, weil er auch noch den Männerchor und die Musikgesellschaft dirigierte.

Die Sängerinnen und Sänger
Im Laufe der Zeiten bewegten sich die Mitgliederzahlen zwischen 15 und 35. Die Pünktlichkeit der Singenden schien nicht immer eine Stärke zu sein. Im Protokoll 1931 steht: „Emma Denz unterstützt den Dirigenten und beklagt sich über die Unpünktlichkeit am Sonntag in der Kirche. Der Chor sei oft noch nicht so zusammen am Anfang, dass ein „Asperges me“ recht gesungen werden könne. Herr Brenner stimmte diesem Punkte zu, teilt aber mit, dass der Fehler nicht allein hinter den Sängern zu suchen sei, sondern dass die Kirchenuhr hie und da meistens immer falsch gehe.“

Auch von Sticheleien ist die Rede. In einem Protololl gibt es zu lesen: „Privates gehört nicht in den Kirchenchor.“

Eine delikate Sache, nämlich die Förderung der weniger begabten Sänger fand 1944 diese Lösung: Der Präsident beantragt, dass man für weniger begabte Sängerinnen und Sänger Einzelproben einschalten soll, was vom Vorstand beschlossen wurde.

Feste waren zwingend Bestandteile des Chorlebens. Die Anlässe erhielten immer wieder neue und fantasievolle Namen: Schüblighock, Jägerweihnacht, Gartenfest, St. Gallerschübligabend, Marronischmaus, Forellenessen, Wasserfest, Waldhausfest, Schinkenessen, Erdbeerschmaus, Chorfasnacht, Hüttenfest, Käseteilete, Kellerfest, Pizzaessen, Geburifäscht, Suuserbummel usw.

1933 ist zu lesen: „…wo der edle Rebensaft den Sängerinnen gar bald die Bäcklein streift, bis sie sich lachend röten!“

1966 wird berichtet von einer spontanen Polonaise nach der Polizeistunde in den Ankerkeller. Nicht bekannt ist der Name des Informanten, der dem Hüter des Gesetzes dazu einen Wink gab. Auch die Höhe der eingezogenen Bussengelder ist nirgends vermerkt.

Das Reisen scheint des Sängers Lust zu sein: 1889 führte die erste Reise nach Wehr. Dreitägige gab es ins Tessin 1935, Engadin 1946, Rheinland 1953, Innsbruck 1957 und viertägige nach Rom 1989, Wien 1998, Hamburg 2007 und nach Nürnberg 2018.

1946 Reise
Kirchenchor 1957 Reise
Hamburg mit Fährmann

Das Chorsingen im Laufe der Zeit 
Den wesentlichsten Anteil bildete schon immer die Musik im Gottesdienst. In der Chorliteratur und in der Zahl der Einsätze vollzog sich im Laufe der Zeit ein starker Wandel. Gesungen wurden durch den Chor im Jahr 1946: 45 lateinische Messen, 8 deutsche Messen, 12 Vespern, 4 Prozessionen, 7 Volkschoräle, 8 Missionsabende, 7 Grabgesänge, 7 Requiem. Dazu kamen die wöchentlichen Proben und die Ständchen, ein wahrlich starkes Engagement. 50 Jahre später waren es 12 bis 15 kirchliche und weltliche Auftritte und 35 bis 40  Chorproben. Nach dem zweiten Vatikanisches Konzil hatten die Chorgesänge neuen Anforderungen zu entsprechen. Sie sollten die Gedanken des Kirchenjahres und die Texte der Lesungen im Gottesdienst aufnehmen. So ergab sich auch ein Wechsel von den Messgeängen hin zu anderm Liedgut, etwa Taizégesängen, neuzeitlichen und rhythmischen Liedern und Gospelgesängen 
 
Zwischen 1920 und 1940 standen auch Unterhaltungskonzerte mit Theater auf dem Jahres-Programm. Anno 1935 hiessen die Lieder „I weiss mer es Plätzli“, „Hans im Schornstein“ und „Schrib denn gli“, ein Lustspiel trug den Namen „Rohkost“. 
 
Das erste nachgewiesene Kirchenkonzert ist datiert vom 26. November 1950 mit Instrumental- und Chorwerken von J.S. Bach. Weitere solche Konzerte fanden 1957, 1973, 1975, 1980, 1983, 1985, 1990, 1997 und 2000 statt. Als anspruchsvolle Werke wurden aufgeführt:
• Missa Brevis in B, Sti. Joannis de Deo für Chor, Solisten und Orchester von J. Haydn
• Missa Brevis in B, KV 275 für Chor Solisten und Orchester von W.A. Mozart
• Messe in C-Dur für Chor, Solisten und Orchester von A. Bruckner
• Kantate „Nun komm der Heiden Heiland“ für Chor Solisten und Orchester von J.S. Bach
• Kantate „Uns ist ein Kind geboren“ für Chor Solisten und Orchester von J.S. Bach
• Te Deum für Chor Solisten und Orchester von J.Chr. Bach
• Magnificat für Chor Solisten und Orchester von Antonio Vivaldi
 
1969 nahm der Chor eine Schallplatte auf mit der „Missa Brevis in B“ von Josef Haydn für Chor, Solisten und Orchester sowie dem „Laudate Dominum“ von W.A. Mozart. 

Kirchenchor 1980 Konzert

Als Mitglied des Kreiscäcilienverbandes Fricktal organisierte der Kirchenchor in den Jahren 1988, 2002, 2003 und 2012 Delegiertenversammlungen für die insgesamt 23 angeschlossenen Chöre.

Die Sängerschar beteiligte sich auch immer wieder aktiv ausserhalb der Pfarrei am Musikgeschehen, zum Beispiel an den Fricktalischen Kreiscäcilienfesten: 1968 in Sulz, 1974 in Zeihen, 1977 in Laufenburg, 1986 in Gipf-Oberfrick, 1989 in Möhlin, 1996 in Rheinfelden, 2000 in Gipf-Oberfrick, 2005 in Möhlin, 2008 in Wittnau, 2016 in Wegenstetten. Auch an den beiden Cantarsveranstaltungen gab es Auftritte, 2011 in Rheinfelden und 2015 in Brugg, jeweils zusammen mit dem Kirchenchor Frick und Instrumentalisten.


Gesamtaufnahme Frick und Mumpf
Chor in action

Anlässlich des 800-Jahr-Jubiläums der Gemeinde Mumpf fand am Martinisonntag 2018 ein Festgottesdienst statt. Dabei wirkten mit dem Kirchenchor Mumpf auch Gesangssolisten sowie ein Instrumentalensemble mit.

Hörbeispiel mit dem Kirchenchor Mumpf:
"Ehre und Preis sei Gott", für 5-stimmigen Chor und Orchester von J.S. Bach

Dokumentation auf Youtube






Quellen:
Protokolle und Rechnungsbücher der Pfarrei
Bücher des Chores
Fotoarchiv Dorfmuseum Mumpf

Autor:
Gerhard Trottmann

1843: Lesegesellschaft Mumpf

Die Lesegesellschaft ist der älteste dokumentierte Dorfverein von Mumpf. Im deutschen Sprachraum gab es bereits vor 1800 Lesezirkel mit dem Ziel, die Erwachsenenbildung voranzutreiben. Lesen gehörte zur Volksbildung. Führend waren die Pfarrherren, die das Volk zum Lesen anhalten wollten.

Gründung der Mumpfer Lesegesellschaft
Sie erfolgte am 5. Februar 1843 mit folgendem Vorstand:
Präsident: Pfarrer Josef Vögelin
Vizepräsident: Ammann Bernhard Rau
Aktuar, Bibliothekar: Lehrer Daniel Güntert
Kassier: Wilhelm Rau
Weibel: Das jüngste Mitglied des Vereins


Zu den Mitgliedern zählten auch der Glockenwirt Johann Wunderlin und der Rheinvogt Johann Güntert.
Die Lesegesellschaft führte ein handgeschriebenes Vereins-Buch. Es beginnt mit einer feierlichen Einleitung über drei Seiten. Anschliessend folgen die 20 Artikel zu den Vereinssatzungen mit den Unterschriften der 23 Gründungsmitglieder. Daran angefügt sind die Protokolle über die Sitzungen.
Am Ende dieses Vereins-Buches besteht ein Verzeichnis sämtlicher in der hiesigen Lesegesellschaft angeschafften Werke.

Eine Auswahl von Buchtiteln:
- Das Buch für den Landmann
- Der praktische Landwirth, 1.-3. Band
- Landwirthschaftliche Dorfzeitung, 3. Jahrgang
- Schweizerische Verbesserung der Bauernwirthschaft
- Geschichtsbibliothek fürs Volk
- Volksbibliothek
- Geschichte eines Hamburger Knaben
- Leben und Leiden eines italienischen Grafen
- Meister Natan der Weise
- Trommelschläger
- Der blinde Knabe
- Der verlorene Sohn
- Die beiden Gottfriede
- Anne Bäbi von Gotthelf
- Buch der Welt 1844
- Erdbeschreibung
- Buch für Winterabende 1845


Präambel und Statuten des Lesevereins
Die Einleitung spricht vom Lebensauftrag der Menschen, in Harmonie mit sich und der Welt zu leben: Das Lesen könne die Menschen bilden und belehren, die Geheimnisse und Wunder der Natur näher bringen, es vermöge traurige Bilder der Vergangenheit aufzufangen und der Seele eine frohe Zukunft aufzuzeigen. Es kann die Augen öffnen für das schöne Vaterland. Es will Kenntnisse vermitteln zur Arbeit auf dem Feld, zu den Sitten und Gebräuchen, zur Religion und dem Zusammenleben. Die ersten beiden Abschnitte lauten:

- Wenn der Mensch diejenigen Forderungen erfüllen will, die ihm vom Schöpfer auferlegt werden, so hat er das eine Grosse nicht zu verkennen, das da Noth thut. Und dieses eine Grosse ist, dass der Mensch sich selbst kenne und verstehe.
- Zu diesem Zwecke hat die menschliche Gesellschaft herrliche Anstalten und schöne Vereine, Kirchen und Schulen errichtet, auf dass der Mensch sich sittlich und religiös ausbilde, und endlich Alle durch Eintracht und Liebe zu einer reinen Harmonie vereinige.

Der letzte Abschnitt der Präambel:

Der letzte Abschnitt der Präambel


Vier Auszüge aus den Statuten:

Vier Auszüge aus den Statuten

§9
Der Bibliothekar hat über sämtliche Werke ein genaues Verzeichnis zu führen, bei der Abgabe eines jeden Buches das Datum, und den Empfänger, und bei der Rückgabe allfällige Beschädigungen pünktlich einzutragen.

§ 13
Die Beiträge sollen alljährlich bei der ersten Sitzung eingezogen und für die angeschafften oder anzuschaffenden Werke verwendet; die Letzten hingegen sollen jedes Mal bei der nächstfolgenden Sitzung bezahlt werden.

§ 17
Es soll bei jeder Sitzung ein Verzeichnis sämtlicher Werke vorgelegt und der jedesmalige Kostenvorrath zu Protokoll genommen werden.

Eigentlich wollte man sich jeden Monat einmal versammeln, um zu lesen, sich auszutauschen und neue Bücher zu holen. Doch Feldarbeiten und andere Verpflichtungen verhinderten ein regelmässiges Zusammenkommen. Trotzdem müssen die Mumpfer begierige Leser gewesen sein.

Die Protokolle berichten
- von der nicht befriedigten Leselust verschiedener Mitglieder,
- vom Aufbegehren einzelner Leser gegenüber dem Bibliothekar, wenn Bücher ihrer Vorstellung nicht vorhanden waren,
- von der Schweighausischen Buchhandlung in Basel, die zur Forst- und Landwirtschaft nicht alle gewünschten Werke liefern konnte,
- von der Notwendigkeit, Bücher einzubinden, weil die Abnützung gross war.


Am Ende des ersten Lesejahres ergab die Rechnung folgende Zahlen:
- Mitgliederbeiträge als Einnahmen: Fr. 22.00
- Büchereinkäufe als Ausgaben: Fr. 12.75
- Kassenbestand von Fr. 9.25


Interessanterweise sind zwischen 1844 und 1848 keine Protokolle und keine Jahresrechnungen vorhanden. Entweder wurde der Betrieb reduziert oder es existierte ein zweites Buch. Auch die Protokolle wurden nach kurzer Zeit nicht mehr im Buche nachgeführt. Eine Jahresrechnung scheint nur 1843 erstellt worden zu sein.

Mit Datum vom 5. Januar 1849 erscheint eine Aufstellung, wonach Rechnungen der Schweighausischen Buchhandlung in Basel und eines Waldmeyer in Möhlin ausstehend sind in der Höhe von 85.07 Franken, inbegriffen 5% Zins für 3 ½ Jahre.

Die Bücherschuld wurde auf die Mitglieder verteilt und war in zwei Hälften zu bezahlen: Bis Ende Januar und dann bis Ostern 1849 mit je 22 ½ Batzen. Um diese Zeit muss der Verein etwa 20 Mitglieder gezählt haben.

1849 scheint die Lesegesellschaft eingeschlafen zu sein.

Lesegesellschaft

Rechnung an die Lesegesellschaft Mumpf für das Buch „Ungewitter“ in der Ausgabenreihe „Erdbeschreibung“



Quellen:
Unterlagen zur Lesegesellschaft im Gemeindearchiv Mumpf

Autor:
Gerhard Trottmann

Uhrengewerbe in Mumpf

Ja, das gab es tatsächlich. Insgesamt sind drei Uhrenherstellungsbetriebe zu vermelden:

- Uhrenfabrik AGON Robert Triebold
- Uhrenfabrik „Muros“ Triebold Erwin
- Uhrenterminage Rudolf Gut

Grundlegend möglich wurde dies durch den Zuzug der Gebrüder Erwin und Robert Triebold aus der Uhrenhochburg von Grenchen. Der dritte Uhrmacher, der Mumpfer Rudolf Gut absolvierte eine Berufslehre bei Muros, um sich dann selbständig zu machen. Erst betrieben die beiden Brüder Robert und Erwin Triebold in Mumpf im Säckingerhof gemeinsam einen Uhren-Herstellungsbetrieb. In dieser Zeit heiratete Robert die im Säckingerhof wohnhafte Lina Kaufmann, Tochter des damaligen Gemeindeammanns August Kaufmann. Bald machten sich die beiden Brüder selbständig. Während Robert ein eigenes Haus mit Werkstätte im Unterdorf erbaute, arbeitete Erwin weiter im Säckingerhof.


Uhrenfabrik AGON

Gründer war Robert Triebold. Er liess schon bald nach dem Neubau an der Hauptstrasse im Unterdorf seine Einzelfirma Agon im Handelsregister eintragen. (Agon Watch – Robert
Triebold Ltd, in Mumpf, eingetragen 1930). (1) 1937 erfolgte der Eintrag ins Schweizerische Handelsamtsblatt. Von 1952 bis zum 14.11.1974 hiess der Betrieb „AGON Uhrenfabrik Robert Triebold AG“, dann bis zum 13.12.1978 „Agon Uhrenfabrik AG“. In den Blütezeiten beschäftigten die Triebold’s gegen 400 Mitarbeitende. Ihre Produkte verkauften sich in allen Kontinenten, die regelmässig mit den neuesten Kollektionen bereist wurden.

Die Firma verstand sich als Uhrenmontagebetrieb. Die Bestandteile wurden eingekauft, vorerst nur in den Uhrenmetropolen der Schweiz, später auch im Elsass und in Pforzheim:
Unruh und Spiralfeder, Antriebs- und Aufzugsfeder, Ankerrad und Gangrad, Uhrgehäuse, Zeiger und Zifferblatt sowie die Armbänder. Die Montage des Uhrwerks von Hand erforderte von den Angestellten viel Gefühl, Ausdauer und Genauigkeit. Wenn eine Uhr die Agon verliess, durfte sie auf keinen Fall hintennachgehen. Pro Tag durfte sie höchstens drei Minuten vorgehen. So lauteten die Toleranzvorgaben.

Die AGON stellte Billiguhren, die sogenannten „Roskopf-Uhren“ her, benannt nach der Erfindung von G.F. Roskopf im Jahr 1867. Sie wurden auch „Proletarieruhr“ oder die „Uhr des Arbeiters“ bezeichnet. Die Uhren waren einfacher konstruiert, bestanden aus weniger Teilen als hochklassige Uhrwerke der teureren Anker-Uhren und waren daher billiger. (2) Die tiefsten Preise lagen bei etwa sieben Franken, die teuersten bei 25 Franken. Ende der 1960er-Jahre stellte die AGON jährlich rund 2,5 Millionen Uhren her. (3) Die Produktion ging nach 1970 sehr rasch zurück, als die billigen Uhren nicht mehr gefragt waren. Die ersten erschwinglichen Quarzuhren kamen auf den Markt und darauf war die Schweizer Uhrenindustrie nicht vorbereitet. Die Aktivitäten der Agon wurden bereits 1971 von SSIH (Société Suisse pour l'Industrie Horlogére SA - eine Gruppe von Schweizer Uhrenunternehmen) übernommen. Aus der SSIH wurde später die Swatch-Gruppe.

Robert Triebold und seine Söhne Eddi und Othmar bereisten mit ihren Kollektionen jeden Kontinent. Somit verkaufte Agon Uhren auf der ganzen Welt, vor allem in Amerika, und war in den Handelsregistern praktisch aller Länder eingetragen, so auch in Dänemark (4):

1 Uhren Dänemark

2 Uhren Pferdchen
Um seine Uhren noch bekannter zu machen, schmückte er die Agon-Zifferblätter mit einer Pony- oder Pferde-Darstellung.

Triebold hielt Rennpferde, mit denen er auch Turniere bestritt. Seine Pferde waren in den Stallungen der „Salzi“ an der hinteren Dorfstrasse untergebracht. In seinen Diensten stand auch ein Jockey namens Stüssgen, der die Pferde trainierte und auch, im Wechsel mit Sohn Othmar, erfolgreich Pferderennen bestritt, so an den Aroser Pferderennen. Gleich neben dem Werkstattgebäude befand sich das Trainingsgelände.

Nach 1960 erstellte Robert Triebold einen Fabrikbau an der Hauptstrasse sowie eine Villa mit Schwimmbad an der Rheinstrasse und verkaufte das bisherige Wohn- und Produktionsdomizil.

3 Uhren Pferdebahn
1 Das um 1930 erbaute Wohnhaus
2 Angebautes Werkstattgebäude
3 Pferderundbahn
4 Die um 1960 erstellte Villa mit Schwimmbad
5 Hauptstrasse nach Basel
6 Bauplatz der späteren Uhrenfabrik AGON (Bild unten):


Aus dem Film „Dörfliches Leben in Mumpf“, 1970 von Willi Kissling, Archiv Dorfmuseum Mumpf
4 Uhren Agon 1970

Aus der AGON-Kollektion:
1 Herrenuhr - 17 Juwelen, Stoppuhr-Funktion, um 1950
2 Agonuhr mit Kalender, um 1960
3 Agonuhr mit Kalender, um 1960
4 Kunststoffuhr um 1970

5 Uhren Agon Kollektion

Die Agon-Uhrenfabrik wirkte innovativ: Sie sorgte für eine modische Gestaltung der Produkte, indem sie einen Designer dafür anstellte. Die Firma entwickelte Kunststoffuhren und eine der ersten digitalen Armbanduhren. Davon zeugt der Auszug aus dem 5-seitigen US Patent vom 5. Februar 1974. Der darin erwähnte Hurt hiess Zeno mit Vornamen, stammte aus Mumpf und leitete das technische Büro:

6 Uhren agon Auszug US Patent 5 Seiten


Uhrenfabrik Muros

Besitzer war Erwin Triebold. Die Produktion umfasste Stoppuhren, Damenuhren, Herrenuhren, Tischuhren, Wecker sowie Musik-Spielwerke, hergestellt in seinen Werkstätten in Mumpf im Säckingerhof, in Wittnau, St. Crois und Frick sowie durch Heimarbeitende. Zeitweise gab es um die 140 Beschäftigte. Diese produzierten vor allem für den europäischen, arabischen und amerikanischen Markt. Erwin Triebold betätigte sich auch politisch im kantonalen und auch eidgenössichen Parlament. Sodann erbaute er Mietwohnungen im Gartenviertel und Einfamilienhäuser auf der Waldwiese in Mumpf, vor allem für seine Angestellten. Der Betrieb in Mumpf bestand von 1939 bis 1957. Im Jahr 1940 erfolgte der Eintrag ins Schweizerische Handelsamtsblatt. Im Jahr 1958 verlegte Erwin Triebold die gesamte Produktion nach Frick in eine ungenutze Fabrikanlage. Doch die finanziellen und weltwirtschaftlichen Verhältnisse leiteten den Niedergang und die Übernahme von Muros durch ein Zürcher Unternehmen ein.

7 Uhren Muros handelsamtsblatt 1958
(Eintrag im Schweizerisches Handelsamtsblatt vom 0ktober 1958)

Zu Erwin Triebold ist im Historischen Lexikon der Schweiz (5) zu lesen:
24.10.1907 Grenchen, 13.9.1990 Rheinfelden, kath., von Grenchen. Sohn des Adolf Mathäus und der Lina geb. Zwahlen. 1940 Aline Gilomen, Tochter des Wilhelm Robert. 1939 gründete T. die Uhrenfabrik Muros in Mumpf, wo schon sein älterer Bruder Robert in der gleichen Branche tätig war. T. beschäftigte in der Blütezeit bis zu 140 Personen. 1957-58 verlegte er die Firma nach Frick. In den 1960er Jahren geriet er in wirtschaftl. Schwierigkeiten und verkaufte die Fabrik an die Zürcher Fam. Schulthess, die den Betrieb 1993 schloss. T. war 1946-61 Gemeindeammann von Mumpf, 1945-53 freisinniger Aargauer Grossrat und 1947-55 Nationalrat.

Neben seiner politischen Tätigkeit regte er das gesellschaftliche Leben an:
- Als Mitglied im Obstbauverein, wo er mit der Abnahme der Obsterzeugnisse durch sein Handelshaus gleich noch das Geschäftliche verband,
- als Förderer des Mumpfer Turnwesens,
- als bestimmendes Mitglied im Verkehrs- und Verschönerungsverein und
- als spendabler Mensch bei vielen Gelegenheiten, z.B. als Spender eines neuen Uhrwerkes im Kirchturm.

8 Uhren Muros Briefkopf

Die Produkte von „Muros“ sind reichhaltig dokumentiert. So existieren auch Patenteingaben sowohl von Uhrwerken wie auch von Musikdosen. (6)
Patent 322340: Tischuhr
Patent 305645: Armbanduhr Herren
Patent 296364: Federloses Musikspielwerk
Patent 299813: Sparkasse mit Spieldose

9 Uhren Patent 40
10 Uhren Patent 45

11 Uhren Patent 64
12 Uhren Patent 13

Aus der Muros-Kollektion:
1 Cowboyuhr mit beweglicher Waffe aus dem Jahr 1952
2 Gene Autry-Uhr aus dem Jahr 1948, für den amerikanischen Markt hergestellt.
3 Radax Taschenuhr
4 Uhrwerk aus dem Jahr 1950
13 Uhren Muros Kollektion

Skizze einer Spielzeugdose aus einem Inserat
14 Uhren Muros Spielzeugdose
Einblicke in die Muros-Werbegrafik von 1947 bis 1957:
15 Uhren Werbegrafik


Uhrenterminage Gut

16 Uhren Gut Zeugnis Weiterbildung

Besitzer Rudolf Gut nannte seinen Betrieb „Uhrenterminage“. Gegründet hatte er ihn 1954, der Handelsregistereintrag erfolgte am 16. Mai 1960. Seine Uhrmacherlehre absolvierte er bei Erwin Triebold in der „Muros“, wo er bald als Uhrmacher-Chef und dann als Chef der Stiftankerabteilung beschäftigt war. (7) Er bildete sich auch weiter, um dann 33-jährig selbständig zu werden.

Beim Bau seines Einfamilienhauses an der Hauptstrasse im Jahr 1954 schräg gegenüber der AGON richtete er im 1. Stock sein erstes Atelier ein. Als die Familie Gut grösser wurde, erstellte er 1961 nebenan einen Werkstattbau mit gegen zehn Arbeitsplätzen. Dazu beschäftigte sein Betrieb bis acht Heimarbeitende.

17 Uhren Gut Betrieb

1 Zifferblätter in verschiedenen Grössen
2 Unruhwaage für die Kontrolle der erfolgten manuellen Anpassung der Unruh.
3 Uhrenpräzisionswerkzeug
4 Mechanisches Uhrwerk
5 Werkzeuge und Uhrenzubehör auf dem Arbeitstisch
18 Uhren Werkstücke


Als Termineur übernahm er Aufträge für grosse Firmen wie Agon und Jowissa. Es waren vor allem unbekannte Marken, die von den damaligen Uhrenhändlern meistens nach Amerika geliefert wurden. Die Auftraggeber besorgten ihm die Uhrteile wie Zeiger, Zifferblätter und Kronen, die eigentlichen Uhrwerke lieferte die Ronda in Lausen. Die Terminage erstellte Marken-Serien zwischen 1000 und 15’000 Stück. Rudolf Gut organisierte und kontrollierte die Montagearbeiten durch seine Arbeiterinnen und Arbeiter im Atelier und bei der Heimarbeit. Er hatte aber nicht für die Werbung und den Verkauf aufzukommen und vermochte trotzdem Arbeitsplätze und Verdienste zu garantieren. Das
Rechnungswesen mit Lohnauszahlungen und Buchhaltung besorgte seine Frau Margrit Gut-Brenner.


Quellen:
Mumpfer Fähri 2003
Auskünfte durch Hugo Hänggi
Auskünfte durch Veronika Lang-Gut
(1) watch-wiki.org, Uhrenhersteller unter „A*
(2) Historisches Lexikon der Schweiz/Uhrenindustrie, Version vom 11.08.2020
(3) Agon Movement – Citron Swiss Watch | Timeless Timepieces https://
timelesstimepieces.wordpress.com
(4) Aus dem dänischen Registrierungsjournal für Marken und gemeinsame Marken.
(5) Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 07.01.2014.
(6) Espacenet www.epo.org, Erwin Triebold eingeben.
(7) Arbeitszeugnis vom 29.12.1952 durch E. Triebold Muros, im Familienarchiv.
Fotos Uhrenterminage: Veronika Lang-Gut

Autor:
Gerhard Trottmann

Mumpfer Bahn-Geschichte(n)

1 bahn mumpf

Die erste Schweizer Bahn bestand ab 1847 zwischen Zürich und Baden mit Linienführung auf der linken Limmatseite, genannt Spanisch-Brötlibahn. Dann entstanden in rascher Folge Linien wie Basel – Liestal (1854), Oerlikon – Romanshorn (1855), Yverdon – Morges (1855), Baden-Brugg (1856). Der Bau oblag privaten Bahngesellschaften: Jura-Simplon Bahn JS, Schweizerische Nordostbahn NOB, Schweizerische Centralbahn SCB, Gotthardbahn, Vereinigte Schweizerbahnen VSB. Die Gründung der SBB erfolgte erst 1902.

2 protokoll

Mumpf wird Teil der Bözberglinie
Nicht nur mit den Landflächen, sondern auch finanziell beteiligte sich Mumpf an der „Bötzbergbahn“ der beiden Gesellschaften „Schweizerische Nordostbahn“ und „Schweizerische Centralbahn“. Mumpf übernahm 1869 140'000 Franken und 1870 weitere 40'000 Franken an Obligationen. Schon fünf Jahre nach der Eröffnung der Bahnlinie 1875 wurden die Anleihen den Gemeinden zurückerstattet. Die Schlussverhandlungen dazu fanden am 5. Juni 1881 in Mumpf in der „Sonne“ statt. Die nunmehr wertlosen Obligationen wurden an der Versammlung in einem Paket verschlossen und mit dem Gemeindesiegel von Mumpf versehen, um es dann im Gemeindearchiv Rheinfelden zu lagern.

Der Katasterplan als Bahnstreckenplan 1873

3 plan bbb umschlag
Der ausgelegte Plan hat eine Länge von 320 Zentimeter und wird im Gemeindearchiv aufbewahrt. Insgesamt 16 Einzelpläne sind zu einem Ganzen auf Segeltuch aufgeklebt.

4 plan bbb ganz
Bahnstreckenteil vom Graubühl bis zum heutigen Blumenrain mit der Überquerung des Mühlebachs und des Fischingerbachs.

5 plan bbb mitte
Bahnstreckenteil Brunnmatt bis Zeiningergrenze.

6 plan bbb schluss

Anspruchsvolle Bauarbeiten bis zur Bahn-Eröffnung am 2. August 1875

Für die Planer stellte sich der Mumpfer Streckenteil als sehr anspruchsvoll heraus. Am Bahnhof musste der Hang angeschnitten und Material abgetragen werden. Für die Zufahrt zum Bahnhof und entlang des Chriesiberges wurde ein Damm aufgeschüttet. Das Material dazu musste von der Möhliner Höhe herangekarrt werden, in dem dort für das Bahntrassee ein drei Kilometer langer Graben ausgehoben wurde. In einem Rückblick stellte die Zeitschrift „Die Eisenbahn-Le chemin de fer“ (1) fest: „Zum Schlusse der Mittheilungen über die Erdarbeiten mag noch erwähnt werden, dass der 3600 Meter lange und 7 bis 13 Meter tiefe, 578 000 Cubicmeter enthaltende Einschnitt im Möhlinfeld vermittels englischen Arbeitsbetriebes in der verhältnismässig kurzen Zeit von 12 ½ Monaten ausgehoben wurde.“ Tatsächlich sah es auf den Baustellen sehr geschäftig aus, weil ja keine Maschinen im Einsatz standen, sondern Hunderte von Menschen und Dutzende von Pferden.

7 bahnbau1874 mumpf west  kopie
Oberhalb der Vordermatt: Unterführung zum Moos mit Blick zum Bahnhofgebäude. Dieser Durchgang ist nicht mehr vorhanden. Er ist nach 1970 ersetzt worden mit der Unterführung für die Verbindungsstrasse zum Kapf. (Photo: Archiv ETH)
8 bahnbau 1874 mumpf mitte
Trassee zwischen Mitteldorf und Waldwiese mit Blick zur Mumpferfluh (Archiv ETH)
9 bahnbau 1874 mumpf ost kopie
Bau der „Mühlebachbrücke“: Erkennbar ist das Bahntrassee von Stein-Säckingen her. Im Bild befindet sich der Mittelpfeiler, der die beiden Eisenelemente von den beiden Seiten her aufzunehmen hat. Das Widerlager oberhalb der Mühle ist erstellt, für den Bau des ostwärts gelegenen Lagers steht das Gerüst bereit. (Photo: Archiv ETH)

Die Stabilität der Hangbauten zeigte sich als das grosse Thema. Enorme Probleme stellte das ewig fliessende Hangwasser durch die schräg verlaufenden geologischen Schichten vom Chriesiberg und von der Mumpferflue her dar. Es bestand eine stete Gefahr von Hangrutschungen und Gleisverschiebungen. Sodann mussten die Verbindungen vom Dorf Mumpf zu den südlich gelegenen Matten, Rebgebieten und Wäldern sichergestellt werden mit

1. einem Bahnübergang mit Bahnwärterhäuschen oberhalb des heutigen Blumenrains
2. dem Durchlauf für den Mühlebach und den Fischingerbach
3. den Unterführungen zum Kapf, zur Waldwiese und zum Moos sowie
4. der Überführung zur Schönegg.

Die Dammrutschungen zwischen Mumpf und Stein sowie die Erdbewegungen oberhalb der Bahnlinie der Station Mumpf sind dokumentiert. (2)

Bau der Station Mumpf
Der Standort des Stationsgebäudes hatte den beiden Gemeinden Mumpf und Wallbach zu dienen. Deshalb fiel die Wahl auf das Gebiet unterhalb der „Röti“. Diese Lage hatte es in sich. Das viele Wasser vom Chriesiberg erwies sich wie erwähnt als problematisch, wie auch die vielen vorgefundenen geologischen Schichten. Eine Sondiergrube von 1871 brachte Findlinge, Fels-, Lett-, Kies- und Erdschichten zu Tage. In der Folge zeigten sich denn auch die instabilen Verhältnisse in Hangrutschen mit eingestürzten Sicherungsmauern und in Absackungen.

Die Stationsanlagen umfassten ein Stationshaus mit Privatwohnung, Schalter und Güterschuppen. Zum Güterschuppen führte ein Stumpengleis mit einer Waage an seinem Ende. Das Aborthäuschen stand abseits vom Hauptgebäude.
10 bahnbau plan der station 1870
(Quelle: SBB Historic)
11 bahnhof und bahnbau 1874 kopie
Baubetrieb vor der Station Mumpf

12 bahnbau plan vom wärterhaus 1870 kopie
Bau des Bahnübergangs mit Bahnwärterhäuschen oberhalb des heutigen Blumenrains
Zu den weiteren Bauarbeiten gehörte die Erstellung des Wärterhauses (rote Markierung im Bild links) beim Bahnübergang oberhalb des Blumenrains beim Aufgang zu den Reben.
13a bahnwärterhaus ob dorf ost kopie
(Fotosammlung Susanne Lizzi-Güntert)

In späteren Jahren erfolgte die Aufhebung des Wärterhauses. Es wurde eine Warnglocke und ein sogenanntes „Andreaskreuz“ (unbewachter Bahnübergang) installiert, die vor herannahenden Zügen warnten. Im Zuge der Autobahnarbeiten verschwand dieser etwas gefürchtete Bahnübergang.

14 eine spur
Einspurige Brücke von 1875 (Bibliothek ETH Zürich)
Die Mühlebachbrücke von 1875
Die Überquerung des „Mühlebachs“ und des heutigen Fischingerbaches erforderte die Erstellung einer Eisenfachwerkbrücke mit seitlichen Auflegern und einem Pfeiler in der Mitte. Dabei wurden die beiden Brückenelemente aus Walzeisen an Ort und Stelle montiert. Die in einer Giesserei bereit gestellten Konstruktionsteile wurden mit Pferdfuhrwerken angeliefert und auf der Brückenbaustelle mit Warmnieten zusammengefügt.

Eröffnung der Bahnlinie Basel Zürich am 2. August 1875
Über den Fahrplan und die Fahrpreise gibt der Fahrtenplan vom August 1875 Auskunft.
15 sbb fahrplan
Der Fahrplan von 1875 bescheinigt 4 Zugshalte in jede Richtung pro Tag in Mumpf.
16 fahrplan 1875
Eine erwachsene Person bezahlte für eine einfache Fahrt nach Basel in der ersten Fahrklasse 2.70 Fr., für eine Retourfahrt 4.35 Fr. Es gab also drei Preis- beziehungsweise drei Wagenklassen. In der dritten Klasse sass man auf Holzbänken eng nebeneinander, während die Sitze in der zweiten Klasse bereits gepolstert waren. Die erste Klasse sah sehr luxuriös aus mit dick gepolsterten Sitzen, die aussahen wie Sofa’s. Auch die Wartesäle an den grossen Bahnhöfen besassen dieselben Ausstattungen.
17 fahrpreise

Die Mühlebachbrücke von 1895

Die Bahnstrecken mussten fortan dauernd neuen Anforderungen und Erkenntnissen angepasst und baulich erneuert werden. So wurde die erste Brücke von 1875 im Jahr 1895 abgebrochen und durch eine neue zweispurige Eisenfachwerkbrücke ersetzt. Die technischen Daten:
- Totale Brückenlänge 56 Meter
- total vier Elemente
- ein Element war 28 m lang, 3.10 m hoch und 2.70 m breit
- die Spannweite von der Auflage bis zum Pfeiler betrug je 28 Meter
- Bachtiefe bis Gleishöhe: 21.6 Meter
- Höhe des konischen Pfeilers: 15 Meter

Die neue Doppelspurbrücke vom Rhein her (oben) und aus der Vogelschau (unten):
18 brückenplan
(Quelle: SBB Historic)
19 bahnbrücke von 1895
Die zweispurige Brücke über den Fischingerbach. (Archiv Dorfmuseum Mumpf)

Das Mühlebachviadukt von 1925

Anstelle der Eisenkonstruktion von 1895 entstand eine neue Betonbrücke als Viadukt mit drei Bögen und zwei Pfeilern, von der Firma Kistler in Brugg erstellt. Beim Bau dieses neuen Viadukts behielt man das alte Bruchsteinmauerwerk mit den seitlichen Fundamenten, Flügelmauern und Widerlagern der bisherigen Brücke bei. Der mittlere Pfeiler diente vorerst als Auflagehilfe bei den Gerüstbauten, bevor er nach dem Viaduktbau abgerissen wurde. Die drei Viaduktbögen erhielten einen inneren Radius von 7 Metern. Die für den Bau benötigten Gerüste samt Materiallift standen für heutige Massstäbe recht abenteuerlich in der Landschaft. Erst nach dem Erstellen der betonierten Bögen
kam es zum Abbau der Eisenfachwerkbrücke. Bei beiden Pfeilern mussten nach geltenden Vorschriften je drei 1.5 m tiefe Minenkammern eingebaut werden mit einem Querschnitt von 30 x 35 cm. Die Elektrifizierung der ganzen Linie von 1926 erforderte dann auch die Montage von Fahrleitungsmasten.

Die beiden neuen Pfeiler stehen auf einem Fundament mit dem Querschnitt 4.35 x 9.4 Meter bei 2 Meter Höhe auf rotem Sandsteinmergel. Diese Fundamente befinden sich in fast 3 Metern Tiefe unter der Erdoberfläche. (Plan: SBB Historic)

20 fundament

21 bahnbrückenbau 1925 kanalseite 22 bahnbrückenbau 1925 bachseite 
Links Mühlekanal von der Bachtale her und rechts Fischingerbach (Pläne: Stadtarchiv Brugg)
23 bahnviadukt 1925 mit dorf kopie
Viadukt nach Elektrifizierung 1925
24 viadukt,dorf um 1930
Viadukt auf einer Postkarte um 1930

25 bruchversuch 1895 am bahnhof kopie
Die Brückenversuche von 1895

Die „Schweizerische Nordostbahn“ in Zürich, die „Schweizerische Centralbahn“ in Basel, die „Gotthardbahn“ in Luzern und die „Jura-Simplonbahn“ in Bern unter der Federführung der „Vereinigten Schweizerbahnen“ unternahmen nach dem Abbruch der Einspur-Eisenbrücke ab dem Jahr 1895 Bruchbelastungsproben auf dem Gelände vom Bahnhof Mumpf. Die eine der beiden Eisenfachwerk-Konstruktionen wurde zum Bahnhof Mumpf transportiert und auf zwei Betonlager hingelegt.

Die Versuchsreihe dauerte vom 29. Oktober 1895 bis 19. Juli 1898. Die Hauptfrage zu den Versuchen hiess: Wie verhalten sich die verschiedenen Elemente einer Eisenbrücke unter enormen Last- und Druckeinflüssen eines fahrenden Zuges unter Berücksichtigung des Eigengewichtes?

Die Untersuchung betraf
- die waagrechten Gusseisenträger
- die senkrechten U-Eisen
- die diagonalen U-Eisen
- Tausende von etwa 2 Zentimeter dicken Rundkopfnieten

26 bruchversuch gerüst gross kopie
Beobachtung der Druckversuche durch internationale Forscher.
27 br.versuch 5
Skizze einer Versuchsanordnung mit fahrbaren und festen Druckerzeugungsvorrichtungen. (3)

Die Druckversuche erreichten internationale Beachtung. Immer wieder fanden sich Forscher aus vielen Ländern ein. Die Resultate ergaben wichtige Erkenntnisse für die weiteren Entwicklungen im Bau von Eisen-Fachwerkbrücken in ganz Europa. Die Versuche zeigten auch für Laien klare Ergebnisse: Stark verbogene und gebrochene Eisenstreben sowie gerissene Vernietungen.
29 bruchversuch gebrochene eisen

Bericht in der Deutschen Bauzeitung (4):
30 deutsche bauzeitung no 82. seite 519. 10 oktober 1896

Eisenbahnromantik beim alten Bahnhof Mumpf

32 bahnhof umlad  kopie
Güterverlad zwischen Güterschuppen und Waage.
33 bahnhoflampe kopie 2
Nachtleuchte

34 bahnbrunnen
Gusseiserner Bahnhofbrunnen
35 stellwerkStellwerk im Freien (Quelle: SRF/Antenne 1970)

Aussenuhr mit römischen Zahlen (Aufnahme nach Restauration/Dorfmuseum Mumpf)

37 mutteruhr

Mutteruhr im Innern des Stationsbüros mit dem mechanischen Uhrwerk. Sie steuerte die Aussenuhr.
38 schwengel

39 billetautom
Billette-Kasten, bedient durch Willi Kissling
40 wartsaal
Bahnromantik pur

41 alter bahnhof mumpf
Ursprünglicher Zustand (Dorfmuseum Mumpf)
42 bahnhofaufnahme 3 eth biblothek 1967
Aussenansicht: Güterschuppen, Stellwerk, Türe Bahnhofvorstand, Signalglocken, Schalterzugang.
Der Bahnhof-Vorstand wohnte mit seiner Familie im ersten Stock. (Bibliothek ETH 1967)


Der Bahnhof zur Winterzeit.

Das WC-Häuschen

Gesamtansicht von Südwesten (ETH-Bibliothek 1967)
45 bahnhofaufnahme 1 eth bibliothek 1967

Der Bahnhof Mumpf von der „Steinzeit“ in der Neuzeit

47 zugsdurchfahrt 1970
48 bahnhof heute kopie


>>>>>>
48 bahnhof heute kopie

Im Zug der Automatisierung des Bahnverkehrs erstellte die SBB 1971 einen Bahnhof-Anbau mit Flachdach. Das handbetriebene Stellwerk war nun aufgehoben und durch eine Fernsteuerung ersetzt. Im Neubau untergebracht wurde die Billetausgabe durch Bahnbeamte und Schaltanlagen der Bahnautomatik.

1989 verliessen die letzten Bahnbeamten die Station, wo man nun die Billette am Automaten zu beziehen hatte.

Von 2009 bis 2010 erfolgte die Anpassung der Perronanlagen an die geltenden Normen bezüglich Einstieghöhe zur S-Bahn mit Kosten von insgesamt 4,8 Millionen Franken.

Kleine Bahngeschichten

Die streitenden Bahn-Bauarbeiter: Die „Ostschweiz“ vom 12. November 1874 beschreibt, wie italienische Bauarbeiter beim Bahnbau gegen Zimmermannsgesellen losgingen – selbst die Polizei hatte keine Chance, sich durchzusetzen.
49 bahnbaustreit
Der „Bludenzer Anzeiger“ meldet am 26. Juli 1890 einen Lokomotiv-Diebstahl, der in Mumpf auf dem Abstellgeleise endete:
50 lok diebstahl
 

Die alten Bahnwagen der SBB waren noch lange nicht automatisch abgeschlossen während der Fahrt. Die „Engadiner Post“ vom 27. April 1926 gibt bekannt:
51 zu früh
Der abgelegene Bahnhof mag hie und da zwielichtige Kreaturen angezogen haben. Die Bahnbeamten fühlten sich besonders nachts nicht immer wohl in ihrer Haut. Im Gemeinderatsprotokoll 1949 ist zu lesen:


Quellen:
(1) Zeitschrift „Die Eisenbahn-Le chemin de fer“ von 1876, Seite 102
(2) Bahngeologische Gutachten von Albert Heim, ETH Bibliothek
(3) Schweizerische Bauzeitung 1895, Band 25/26, Seite 133 und 134 und Sondereinlage
(4) Deutsche Bauzeitung No 82, Seite 519, 10. Oktober 1896

Weitere Informationen:
Film „Es lebe das Statiönchen“ auf www.zeitraumaargau.ch
Film „Der Bahnhof Mumpf“, 1970, auf WikiMumpf, Filme

Autor:
Gerhard Trottmann

Die Zeit des zweiten Weltkrieges in Mumpf

Der Kriegsausbruch
Er erreichte die Mumpfer nicht unerwartet, beobachteten sie doch mit Befremden, was sich ennet der Grenze schon lange tat. Auch in Säckingen hisste man die Nazi-Flagge und hörte man die Führerrufe. Doch sie waren auch sehr mit der alltäglichen Arbeit auf den Feldern und in einzelnen Betrieben beschäftigt, als am 2.September die Mobilmachung für 450'000 Männer ausgerufen wurde. Augenblicklich mussten die Mumpfer die Arbeit liegen lassen, die Militärsachen packen und an ihre vorbestimmten Orte einrücken.

Zuvor, am 30. August 1939 wählte die Bundesversammlung Henri Guisan zum General. Erst mussten die Pläne für die Verteidigung erstellt werden. In aller Eile bauten die schlecht ausgerüsteten Soldaten Beobachtungs- und Verteidigungsobjekte. Die Genietruppen besassen keine Werkzeuge. Im Gemeinderatsprotokoll vom 12. April 1940 lesen wir:

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Die Versorgung der Schweiz mit Lebensmitteln war ein grosses Problem. Alle Hausflächen, Fussballplätze, städtischen Parkanlagen wurden umgegraben, um Gemüse anzupflanzen, mehrheitlich durch Frauen und Kinder, weil ja die Männer ihren Militärdienst leisten mussten.

Die Zeitungen berichteten täglich über die Kriegsschauplätze und damit auch über das riesengrosse Leid, das für die Kinder dort entstand. Eine grosse Solidaritätswelle erfasste die Schweiz. Die Not der Kinder durch die Kriegshandlungen muss unbeschreiblich gewesen sein. Es bildete sich eine Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für kriegsgeschädigte Kinder. Ein Schreiben erreichte den Gemeinderat. Dazu lesen wir im Protokoll des Gemeinderates Mumpf vom 28. November 1941:

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Das tägliche Leben in Mumpf musste trotz Schwierigkeiten bewältigt werden. Grosse Schüler und alte Leute mussten in den Ställen mithelfen und in den Erntezeiten auf den Feldern mittun, Obst pflücken und sortieren, Kartoffeln ausgraben, bei den Heuarbeiten dabeizusein.

Bis zum Schluss des Krieges ergingen an die Menschen immer wieder militärische Verhaltensregeln und Anweisungen:

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Gegen Kriegsende bestand oft die Gefahr, dass sich die Alliierten im Angriff auf die deutschen Orte irrten. Mumpf blieb verschont, während andere Orte am Rhein bombardiert wurden. Noch am 23. Februar 1945 warnte das Militär die Bevölkerung vor der Fliegergefahr.

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Damit ausländische Piloten sich orientieren konnten, wurden die Hausdächer der „Sonne“ und des „Frommherzhauses“ beschrieben, bzw. mit einem Schweizerkreuz bemalt. Dies in der Hoffnung, von den Bomben verschont zu werden.

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Die Militärbauten in Mumpf
Ihre Erstellung richtete sich gegen allfällige deutsche Truppen des Hitlerregimes: Zwei Bunker am Rhein beim Anker und beim östlichen Dorfeingang, einer neben der Waldwiese sowie einer auf der Mumpferfluh. Sie wurden mit Maschinengewehren und Infanterie-Kanonen bestückt. Die Panzersperren führten von der Hauptstrasse westlich vom Anker empor Richtung Chriesiberg bis zum Buchwald und vom Fischingerbach Richtung Klostermatte und weiter, dann oberhalb vom Berghof und Wasserreservoir ebenfalls zum Buchwald.
Dazu gab es Minenkammern im Bahnviadukt, in der Hauptstrasse, in der Obermumpferstrasse und in der Bahnhofstrasse eingelassen. Diese Strassenverminung konnte durch den runden oder eckigen Verschluss erkannt werden. Bei einem Einmarsch der Hitlertruppen ins Fricktal hätten die Verkehrswege und das Bahnviadukt durch Minen zerstört werden müssen.

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Eine Militärpostkarte zeigt den Höckerbau als Panzersperre.
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Das Viadukt besass bei den beiden Pfeilern je drei 1,5m tiefe Minenkammern mit einem Querschnitt von 30 x 35 Zentimetern.


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In der Strasse nach Obermumpf waren Sprengkammern eingebaut, deren Eingangstüren von der Bachseite via Leitern und Stege zu erreichen waren.
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Sicht auf den Eingang zum Bunker unterhalb der Aussichtstelle Mumpferfluh.

Die Soldaten sind im Dorf!
Als Grenzort bevölkerten einige Truppen das Dorf. Erstens waren der Rhein und die Bewegungen auf der deutschen Seite zu überwachen. Dazu verteilten sich die Soldaten in den Häusern mit Aussicht auf den Fluss. Zwei neuralgische Standorte befanden sich in der Bachthale, wo Mineure als Sprengtechniker und Füsiliere als Bewacher ihre Stellungen bezogen: Am SBB-Viadukt und beim Wasserfall des Fischingerbaches an der Obermumpfer-Strasse.

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Der Wache-Unterstand leicht oberhalb des Bahnviaduktes.
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Ein weiterer Wache-Unterstand an der Obermumpferstrasse.

Die Gasthäuser erlebten neue Funktionen: In der „Sonne“ befand sich das Batallionsbüro sowie alle Unterkünfte des Batallionsstabes. In der Sonne erhielten die Dienstleistenden auch ihren Sold. Die Soldaten schliefen in den Sälen von „Anker“, „Adler“ und „Glocke“ und im Gartenhaus der „Schönegg“. In der Schönegg-Gaststube befand sich das Kompagnie-Büro. Die „Kiste“ oder das „Loch“, also das Arrestlokal, befand sich im Fährehäuschen neben dem Zollhäuschen.

Bild13
Pontonier-, Fähre- und Zollhäuschen nebeneinander gebaut.
Bild14
Diese Soldaten warten vor der Sonne auf die Soldverteilung

Nachts mussten die Häuser verdunkelt werden, eine einschneidende Massnahme im Dorf.

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Der Beobachtungsposten auf der Mumpferfluh verfügte über eine stets einsatzbereite Telefonverbindung zur getarnten Geschützstellung.
Bild16
Militär-Postkarte mit Blick von der Mumpferfluh Richtung Sisseln.

Bild17

In der Bachthale standen die bereits erwähnten beiden Wache-Unterstände und eine kleine Mannschaftsbaracke mit einem Gärtchen davor. Während des Bewachungsdienstes kam nun die Idee auf, wenigstens den Strom in die ärmliche Baracke zu holen. Die Soldaten wollten die fehlende Elektrizität durch ein eigenes Kraftwerk selber erzeugen. Sie leiteten vom Mühlekanal Wasser ab zu einem Wasserrad, um dann mit einem leistungsfähigen Generator den Lichtstrom zu produzieren.

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Das Kraftwerk stand über dem Mühlekanal, damit ging der Mühle kein Wasser verloren. Ein Brett kurz vor dem Wassereinfall konnte schräg abgedreht werden, um das Kraftwerk abzustellen.

Das Militär stand in engem Kontakt mit der Bevölkerung. So rekrutierten die Kommandobüros auch für die Zivilbevölkerung Hilfen. Wenn also Bauern oder Gewerbebetriebe wie Metzger oder Bäcker Hilfe brauchten, weil die Männer selber anderswo im Dienst waren, stellten die militärischen Stellen Hilfen zur Verfügung.

Soldaten waren schon immer, Uniform sei Dank, begehrte Objekte der holden Weiblichkeit. Ihre Alben füllten sich mit flotten Zeichnungen und Sprüchen, welche die Herzen höher schlagen liessen. Es entstanden sogar Eheschliessungen.

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Menschliche Tragödien
Die Mumpfer Bevölkerung wurde auch Zeuge des Flüchtlingselendes. Gar manche Flüchtende sprangen in den Rhein, um das Schweizer Ufer zu erreichen. Viele versuchten, sich am 180 Meter langen Drahtseil über den Rhein zu hangeln. Oft kamen sie im Rhein entkräftet ums Leben und wurden als Leichen angeschwemmt. Oder kaum entdeckt, wurden sie von deutscher Seite gnadenlos abgeschossen. Eines Tages befahlen die Deutschen dem Mumpfer Schmied Josef Müller, das Fährseil auf ihrer Seite zu kappen. In Säckingen gab es niemanden, der dies hätte tun können, waren doch alle deutschen Männer eingezogen in den Krieg.

Am 16. April 1945 stürzte auf dem Chriesiberg ob Mumpf ein amerikanischer Bomber B-26 ab, nachdem zuvor über deutschem Gebiet ein Motor ausfiel. Er liess die Bomben über Waldgebiet fallen und geriet durch ein deutsches Flakfeuer in Brand. Der Pilot liess fünf Mann abspringen und steuerte die unbewohnte Chriesiberg-Hochebene oberhalb der Schönegg an. Dem Piloten gelang der Absprung nicht mehr, er wurde mit dem angezogenen Fallschirm tot aufgefunden. Er bezahlte sein Vorhaben, mit der Maschine keine Menschenleben zu gefährden, mit dem Tod.

Es dauerte nicht lange, bis Soldaten von Mumpf her angefahren kamen. Sie wiesen die Zuschauer weg und sperrten das Gelände auf dem Chriesiberg ab. Trotzdem gelang es dem Mumpfer Felix Bretscher, einige 12,7-mm Patronen in seinem Hosensack zu verstecken. Sie wurden später entschärft und sind heute im Dorfmuseum Mumpf ausgestellt.

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Die Gürtel enger schnallen!
In den Zeiten des 2. Weltkrieges galt es, die Ernährung der Menschen in der Schweiz sicherzustellen durch
a) den Anbauplan: Jede Park- und Freifläche wurde zu einem Acker.
b) Rationierung lebenswichtiger Güter: Jeder Mensch erhielt pro Lebensmittel und Gebrauchsgüter eine Ration zugesprochen.

Die Rationierung im 2. Weltkrieg begann im August 1939 zuerst mit einer Bezugssperre für mehrere Getreideprodukte, Hülsenfrüchte, Fette und Öle sowie Zucker. Im Oktober erfolgte dann die Rationierung dieser und weiterer Produkte wie z.B. Seife. Ab 1941 wurden zwei fleischlose Tage pro Woche eingeführt.

Die weiteren Folgen:
- Fleischrationierung ab März 1942
- Milchkontingentierung ab Juli 1941
- Milchrationierung ab November 1942
- Eierrationierung ab Dezember 1941
- Regelung „grössere Portionen für Schwerarbeiter“ Juli 1942

Brot wurde ab Juli 1940 nicht mehr frisch verkauft, sondern musste einen Tag alt sein!!! Im Oktober 1942 begann die Brot-Rationierung und ab Mai 1943 wurde es bei Engpässen mit Kartoffeln gestreckt.

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Lebensmittelkarten und Lebensmittelmarken berechtigten zum Kauf der Ware, bedeuteten aber keine Preisverminderung. Sie galten noch bis 1948, also drei Jahre nach dem Kriegsende.

Der Krieg ist aus
Er dauerte ganze sieben Jahre. Wie sehr er die Menschen belastete, ist aus dem Protokoll vom 30. Dezember 1944 ersichtlich:

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Am 25. April 1945 wurde das badische Rheinufer von den französischen Truppen eingenommen und kontrolliert. Um 09.15 Uhr bot der Bürgermeister von Säckingen die kampflose Übergabe der Stadt an die Franzosen an. Alle Ortschaften der deutschen Seite wurden durch diese Truppen besetzt.

Auch die Schweizer Bevölkerung atmete auf. Die Aargauer Regierung schrieb am 4. Mai an die Gemeinden, wie der Tag des endgültigen Waffenstillstandes zu begehen sei: Nicht als Siegesfeier. Eine Beflaggung der Kirchen und Gemeindehäuser mit Schweizerfahnen sei nicht angebracht, ein Dankgottesdienst jedoch schon. Und ausländische Flaggen seien ausnahmsweise an diesem Tag geduldet.

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Im Protokoll der Mumpfer Gemeinderates ist zu lesen, dass Gemeindeschreiber Gut zuhanden der Mumpfer Einwohner eine Würdigung der Wehrhaftigkeit auch unseres Dorfes während dieser harten sieben Kriegsjahre zu verfassen habe.

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Die Soldaten kehrten heim, müde, erschöpft und geschockt. Viele Familien waren durch die Abwesenheit in der Armut gelandet. Ein jeder erhielt vom General eine Dankeskarte.

Dieser General Guisan inspizierte gegen Kriegsende die Grenze am Rhein. Der Mumpfer Bahnbeamte Johann Meyer fertigte die Durchfahrt eines sehr langsam fahrenden Zuges ab. Da gewahrte er zu seinem Erstaunen, dass der General vor ihm auf einer offenen Plattform durchfuhr, und ihm, dem Bähnler einen militärischen Gruss zuschickte.

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Auch Frau Jehle konnte 1945 von Mumpf nach Säckingen heimkehren. Ihr Mann, der Historiker Fridolin Jehle brachte sie und die Kinder von Säckingen in eine Wohnung nach Mumpf in Sicherheit vor der Nazi-Verfolgung. Sie erhielt Arbeit in der Uhrenfabrik Erwin Triebold.

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Doch die Folgen des Krieges blieben noch lange bestehen, die Not der Menschen nahm nicht ab, ja sie spitzte sich gar noch zu. Unsere Nachbarn in Säckingen wussten ihre Ernährer auf den Schlachtfeldern liegen, viele litten traumatisch und apathisch unter dem Erlebten und der grösste Feind war der Hunger. Mit Mumpf an vordersten Front begannen im Fricktal Sammelaktionen zugunsten der Nachbarn. Zur Weihnacht 1945 kamen so 740 Kleiderpakete und 1100 Esswarenpakete zusammen. Diese Aktionen wurden regelmässig wiederholt.

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In Mumpf kehrte nach sechs Jahren auf dem Rhein Normalität ein: Die Fähre nahm am 22. März 1951 nach der Genehmigung des französischen Gouverneurs in Säckingen ihre Fahrten wieder auf mit den täglichen Transporten für all diejenigen, die vom Fischingertal und Wegenstettertal zur Arbeit nach Säckingen gelangen wollten. In den ersten sieben Monaten beförderte die Fähre 7171 Personen über den Rhein!

Was der 2. Weltkrieg in Mumpf auch zurück lässt

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Bunker am Rhein unterhalb vom Gasthof „Anker“.
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Bunker am Rhein unterhalb vom Campingplatz.


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Bunker neben der Waldwiese oberhal der Bahnlinie.
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Sprengkammern in der Bahnhofstrasse.
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Panzersperren oberhalb Berghof.
 


Quellen:
- Gemeindearchiv Mumpf
- Archiv Dorfmuseum Mumpf
- Kpl. Baumann, Gfr. Brogli: Chronik des Grenzwachtpostens Mumpf
- Andreas Stalder; 1939-1945 Grenzverteidigung Grenz-Füsilier-Bataillon 244
- Vom Jura zum Schwarzwald: Blätter für Heimatkunde und Heimatschutz, 2006 (S. 139 bis 146)

Autor:
Gerhard Trottmann

Weg-, Flur- und Friedhofkreuze in Mumpf

Sie bestehen aus Holz, Stein oder Metall und haben ihren Standort seit jeher an markanten Stellen und Wegkreuzungen. Sie dienten früher als Orientierungspunkte in Landschafts- und Reisebeschreibungen. Oft waren sie auch Haltepunkte bei Flur- und Auffahrtsprozessionen. Alle Kreuze sind Kulturobjekte: (1)

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Das Kreuz auf dem Platz der Kirche war einst das ehemalige Friedhofkreuz. Der Friedhof war um die Kirche angelegt. Die Erstellung geht auf das Jahr 1756 zurück. Besondere Beachtung gilt dem Sockelspruch.

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Kreuz auf dem heutigen Friedhof Zelgli, erstellt 1953. Es ersetzte das Kreuz aus dem Jahr 1870.
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Wegkreuz auf dem Kapf beim Beginn der „Alten Obermumpferstrasse“, erstellt 1977.

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Feldkreuz Röti, erstellt 1934.
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Feldkreuz Balgismatt, erstellt 1934

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Wegkreuz an der Hinteren Dorfstrasse/Vordermattweg von 1900
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Wegkreuz vor der Kapelle unter den Reben

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Wegkreuz in den Reben, erstellt 1977. Es ersetzte ein altes Wegkreuz.
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Klosterfrauenkreuz oberhalb der Reben, erstellt 1863.

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Ein Strassenkreuz stand beim damaligen Steinerstich an der Strasse von Mumpf nach Stein, unterhalb der Bahnlinie. Es muss in einem schlechten Zustand gewesen sein.
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Beim Bau der Autobahnraststätte im selben Gebiet wurde (Bild unten) als Ersatz ein schlichtes Holzkreuz errichtet.

Wegkreuze sind Kulturobjekte und damit geschützt. In der Mumpfer Bauordnung sind sie einzeln vermerkt. (1)

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Die Gemeinde Mumpf besitzt als Kulturelles Erbe zehn Weg-, Flur und Friedhofkreuze. Sowohl der Unterhalt und wie die Betreuung dieser Kreuze gehören in den Aufgabenbereich der Kirchenpflege Mumpf.(2)

Quellen:
(1) Denkmalschutzobjekte, Kommunale Kulturgüter und Kulturobjekte
in der Bau- und Nutzungsordnung der Gemeinde Mumpf, Anhang 3 und 5.
(2) Geschichte und Chronik der Gemeinde Mumpf 2005, Seite 120.

Autor:
Gerhard Trottmann

Unglücksfälle und Verbrechen

Auch die dunklen Seiten gehören zur Geschichte eines Dorfes seit jeher. Der erste „geklärte“ Totschlag der Geschichte geschah gemäss Forschungen vor 430'000 Jahren in der Nähe der spanischen Höhle Sima de los Huesos. Alle Spuren deuten darauf, dass das Opfer durch rohe Gewalt ums Leben gekommen ist. (1) Morde, Diebstahl, Unfälle und kurioses Verhalten gab es auch in Mumpf.

Der erschossene Brotdieb
Meldungen in „Neue Zürcher Nachrichten“, Nummer 69, 22. März 1944 und im „Walliser Volksfreund“ 24. März 1944

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Die Raubmörder von 1898
Es geht um den Schiffsbauer Eduard Hurt. Es muss ein leutseliger Mensch gewesen sein, der immer wieder herumziehenden Handwerksgesellen Kost und Unterkunft anbot. Das ging gut bis Ende Februar 1898. Zuerst der Artikel aus der „Zürcherischen Freitagszeitung“ vom 4. März 1898:
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Der Artikel aus dem „Täglichen Anzeiger für Thun und das Berner Oberland“ vom 2. März gibt einen Überblick über die Umstände der Tat.
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Im "Tagblatt der Stadt Biel" vom 05. März wird eine Belohnung versprochen für Angaben und Täterschaft:
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„Zuger Nachrichten“ vom 10. März:
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„Zuger Nachrichten“ vom 19. März:
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Meldung in den „Zuger Nachrichten“ am 19. Mai 1898:
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Das „Intelligenzblatt für die Stadt Bern“ vom 17. März 1898 schreibt:
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Meldung im „Zuger Volksblatt“, Nummer 57, 19. Mai 1898
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Und schliesslich die letzte Zeitungsmeldung zum Raubmord an Schiffsbauer Hurt im „Täglichen Anzeiger für Thun und das Berner Oberland“, Nummer150, 28. Juni 1898 zum Mörder Ewig:
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Deutscher Grenzwächter erschiesst Mumpfer Flösser
Im Jahr 1853 erschiesst ein deutscher Grenzwächter einen Mumpfer Flösser während der Ausübung seiner Arbeit auf dem Rhein. Die „St. Galler Zeitung“ vom 23. September 1853 berichtet.
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Dieser Schuss führte nach der Untersuchung zu einer Gerichtsverhandlung. Dass hinter dem Schuss viele Probleme im Zusammenleben links und rechts vom Rhein stehen, zeigt der Bericht der „St. Galler Zeitung“ vom 4. April 1854:
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Liebestragödie in Mumpf
Eine Tragödie der speziellen Art spielte sich anfangs Februar 1906 in Mumpf ab. Der „Bote vom Untersee und Rhein“ am 7. Februar 1906 und „Le Nouvelliste“ am 10. Februar 1906 berichten davon.
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Unaufgeklärter Mordfall
Ein Mord, der nie aufgeklärt wurde. Zuerst die Meldung der „Neuen Zürcher Nachrichten“ vom 24. März, Ausgabe 02 und dann diejenige in der „Die Tat“ vom 31. März 1955:
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Von Dieben, Betrügern und Schmugglern
Am 29. September schreibt das „Intelligenzblatt für die Stadt Bern“:
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Die „Neuen Zürcher Nachrichten“ Nr. 73, 15. März 1927, melden:
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Vom Sandgrubenkrimi berichten die „Freiburger Nachrichten“ am 29. Januar 1949:
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“Oberländer Tagblatt“, Nummer 298, 20. Dezember 1947:
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„Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern“, 22. April 1938
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Wie geht Zucker schmuggeln?
Die „Neuen Zürcher Nachrichten“ Nr. 19 vom 20. Januar 1933 wissen es:
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Der flüchtige Automobilist aus Hamburg
„Bote vom Untersee und Rhein“, 5. Juli 1904 berichtet, wie er doch noch geschnappt und beglückt wurde.
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Strassenunfälle
Immer wieder ereigneten sich Verkehrsunfälle im Bereich der „schrägen Brücke*, einer berüchtigten S-Kurve der Hauptstrasse unter der Bahnlinie westlich von Mumpf unterhalb der „Schönegg“. Vom schweren Car-Unglück berichtet der „Bote vom Untersee und Rhein“ am 7. April 1964:
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Der „Walliser Bote“ berichtet mit einer Unfallfoto am 6. April 1964:
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Die „Freiburger Nachrichten“ vom 17. April 1964:
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Der Carunfall bewirkte eine aussergewöhnliche Gerichtsverhandlung am Ort des Geschehens. Darüber schreibt der „Bote vom Untersee und Rhein“ am 5. November 1965:
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Kurioses

Streitende Bahnarbeiter
Die „Ostschweiz“ vom 12. November 1874 beschreibt, wie italienische Bauarbeiter gegen Zimmermannsgesellen losgingen – selbst die Polizei hatte keine Chance, sich durchzusetzen.
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Aus dem fahrenden Zug ausgestiegen – keine gute Idee.
Die „Engadiner Post“ vom 27. April 1926 gibt bekannt:
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Zum Brand der „Glocke“ schreiben die „Neuen Zürcher Nachrichten“ in Nr. 57 vom 11. Juli 1896:
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Alt Forstinspektor Rau bekommt ein schlechtes Gewissen, flüchtet und zieht vermutlich einen weiteren Menschen in die Tiefe.
Wir lesen im „Intelligenzblatt für die Stadt Bern“, 1. Januar 1849:
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Warum Rau flüchten konnte, vermutet die „Zürcherische Freitagszeitung vom 5. Januar 1849:
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Vom Metzger, der den Viehhändler betrog: „Intelligenzblatt für die Stadt Bern“, 26. Dezember 1894:
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Von einem Jagdunfall steht im „Grütlianer“, 19. Dezember 1907:
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Quellen:
- Daniel Lingenhöhl; Der erste bekannte Mord der Menschheitsgeschichte? (1)
- www.e-newspaperarchives.ch

Autor:
Gerhard Trottmann

Siedlungen in der Alt- und Neusteinzeit

Altsteinzeit

Im Bereich Spitzgraben müssen sich vor etwa 15`000 Jahren Nomaden aufgehalten haben. Entsprechende Funde von Knochen und Werkzeugen lassen darauf schliessen.

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Spitzgrabengebiet in einem Ausschnittt aus der Siegfriedkarte 1880.


Neusteinzeit
Die ersten Siedlungen sind um 3300 v.Chr. auf der Geländeterrasse auf dem Kapf entstanden. Hier liessen sich, geschützt vor dem Hochwasser des Rheins und des Tal-Baches, Bauern und Jäger nieder. Ihre Baurückstände und Abfallgruben gaben Geheimnisse ihres Lebens frei. 1933, 1935 und 1991 erfolgten Grabungen. Die Siedlungen wurden in Etappen erstellt und jeweilen von 70 bis 80 Menschen bewohnt. Diese bauten Gräben, Walle und Palisaden gegen eindringende oder davon laufende Tiere. Unter den Funden sind Tonscherben der „Horgener- und der Schnurkeramikkultur“ nachgewiesen. (3)
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Pfarrer Burkart bei den Ausgrabungen 1935

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Grabungsgelände Kapf 1991
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Skizze anlässlich der Grabung 1991, um sich Häuser und Palisaden vorstellen zu können. (5)

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Hirschgeweihe, Knochen und Zähne
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Verschiedene längliche Steinbeile und ein runder Klopfstein
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Messer aus Silex

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Bohrer aus Silex
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Pfeilspitzen aus Silex
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Keramikteile

Literatur:
– Christian Harb: Mumpf AG, Kapf: eine intensiv besiedelte Geländeterrasse am Rhein, 2009

Quellen:
(1) Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, 1926
(2) Engadiner Post, 4. September 1926
(3) Elisabeth Bleuer, Historisches Lexikon der Schweiz/Aargau/1.1.2. Jungsteinzeit
(4) Jahrbuch Archäologie Schweiz, 2009
(5) Aargauer Volksblatt, 14. Juni 1991

Autor:
Gerhard Trottmann

Spuren der Römer in Mumpf

Die Lage unseres Dorfes war schon immer geprägt durch den Rhein und die Mumpfer Fluh, ein Engpass seit jeher. Die alten Verkehrswege führten hier durch, oft nicht leicht passierbar. Als die Römer ihr Herrschaftsgebiet ganz im Norden aufgeben mussten, zogen sie sich für rund 400 Jahre hierher zurück. Strasse und Rhein mussten gesichert werden und so entstanden Zeugen ihres Lebens. Für unseren heutigen Dorfnamen sind die Römer verantwortlich wie auch für Siedlungs- und Wehrbauten, von denen Grundmauern und weitere Funde vorhanden sind.

Der römische Meilenstein
Die Fundstelle des Meilensteins (roter Pfeil) vom Jahr 1876 im Mumpfer Bann trägt den Flurnamen Obdorf. Sie liegt ein paar Meter östlich des heutigen Camping-Platzes.
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Die Masse des Steines:
– Höhe 60 Zentimeter,
– Durchmesser ca. 50 Zentimeter
– Buchstabenhöhe 6–8 Zentimeter

Die nicht mehr vollständig erhaltene Inschrift wird durch die Forschung wie folgt ergänzt:

IMP(eratori caesari)
T(ito) AE(lio Hadriano Antoni-)
NO A(ugusto pio consuli)
D(esignato) P(atri Patriae)
A(ugusta) R(aurica)
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Forschende vermuten, dass der Meilenstein zu Ehren von Kaiser Titus Aelius Hadrianus Antonius Pius (138–161 n.Chr.) gesetzt wurde. Er ist einer der zahlreichen Meilensteine zwischen AUGUSTA RAURICA (oder AUGUSTA RAURACUM) und VINDONISSA (Brugg). Er ist im Fricktaler Museum in Rheinfelden ausgestellt. Eine Meilenangabe ist nicht (mehr) ersichtlich.

Die römische Burganlage in der Burgmatt
Das spätrömische Befestigungssystem von Helvetien gegen Norden und Nordosten im Zeitraum 200 - 500 n. Chr. war nach der Geschichtsdeutung gegen die Germanen oder Alamannen gerichtet. Am linken Rheinufer von Basel bis zum Bodensee gab es aus diesem Grunde eine Kette von Wachttürmen. Als ab 1902 die Gemeinde Mumpf die Wasserversorgung erstellte, kamen im Gebiet vom Gasthof Anker Fundamente einer römischen Anlage zum Vorschein. Diese umfasste zwei Wachttürme mit Proviantstation, Vorratslager, Bäckerei, Pferdestallungen, Bad, Warte und Strassensperre. Die Anlage befand sich hart am Rhein.

Die folgenden Zeichnungen basieren auf den Ausgrabungen und Forschungen seit 1913.

Gelb markiert ist das heutige Gebäude samt Überdachung zwischen den beiden Trakten des Gasthofs Anker. Er steht also auf den Fundamenten einer römischen Magazinstation mit dem Hauptbau von 17.50 x 26 Meter, hallenartig erstellt, mit 2 halbrunden Treppentürmen, (Radius 11.75 m), unterkellert, mit einem Spitzgraben 19 Meter vom Bau entfernt (1.70 Meter tief und 5–7 Meter breit). Entdeckt wurde auch der Rest einer Umfassungsmauer eines früheren Gutshofes. Zu diesem gehörte auch noch eine Badeanlage. Ihre Grundrisse sind praktisch noch total erhalten. Als weitere Funde sind verzeichnet: Bruchstücke von römischen Ziegeln, der Bronze-Beschlag eines Gürtels, drei Münzen zu Gratian (Kaiser von 367 - 383), zwei Münzen zu einem unbekannten Kaiser, Tonscherben, Römischer Fingerring, vier Münzen zu Magnus (383 - 388).
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Zwei Gesamtpläne der Burg zeigen die Reste der Umfassungsmauer eines früheren Gutshofes in westlicher Richtung, die Lage der Badenalage sowie der umgebende Graben bei der Skizze rechts:

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Zwei unterschiedliche Versuche zur Rekonstruktion vom befestigten Magazinbau:

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1. Die Römerstrasse führt auf der südlichen Seite der Anlage vorbei.
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2. Die Strasse liegt auf der Rheinseite zwischen der vermuteten Schiffsanlegestelle und der Burg.

Die römische Badeanlage
Diese Badeanlage könnte zu einem früheren Gutshof, einer villa rustica, gehört haben. Was zeigt der Grundriss dieser Baute? Gegen Süden besteht sie aus drei Apsiden, also drei halb- runden Nischen, möglicherweise mit Kuppeln überdacht. Im Norden schliesst sich ein rechteckiger Raum an, was dann eine kreuzförmige Anlage ergibt. Die südliche Apsis wird von einem Feuerkanal durchquert. In den beiden andern Apsiden dürften sich gemauerte Badewannen befunden haben. Der Eingang könnte in der westlichen Wand des rechteckigen Raumes, der Ausgang zum Hof in der Ostwand gewesen sein. Im Hof dann ein rundes Bauwerk von nicht ganz zwei Metern Durchmesser, was als Dampfbad, überdacht mit einer Kuppel gedeutet wird.
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Die Ausgrabung von 2019 deckt sich mit der nächsten Skizze von 1913
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Die Mumpfer Magazinstation ist im Kulturgüterschutzinventar des Bundes als Objekt von nationaler Bedeutung eingestuft.


Quellen:
- Walter Drack: Die spätrömische Grenzwehr am Hochrhein; 13. Archäologischer Führer der Schweiz
– S. Burkart: Die römischen Befestigungen am Rhein von Mumpf bis Kaiseraugst; Anzeiger für schweizerische Altertumskunde, 1903
– Peter-A. Schwarz (Uni Basel), Jahresbericht der Vindonissa-Professur 2018, Seiten 135 bis 139
- Vom Jura zum Schwarzwald, 93. Jahrgang 2019, Seiten 7 bis 31


Autor:
Gerhard Trottmann

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