Das Bauernhaus Säckingerhof 2 in Mumpf
Der Bauernhof in den Brandkatastern
Im Brandkataster von 1828 trug der heutige Säckingerhof 2 die Nummer 60. Der Besitzer hiess Joseph Schmid. Die Einträge lauten wie folgt:
Brandkataster 1828:
Nr. 60 (alt 53), Joseph Schmid. Wohnhaus, 2 Stock hoch, mit Hufschmiede, Scheuer und Stallung von Stein und Riegel, Ziegeldach; auf der hinteren Seite ein angebautes Waschhaus, auf der unteren Giebelseite ein angebauter "Schopf mit einem Kohlenbehälter. 51 x 33 x 18 Schuh. 2000 Fr.
Exkurs: Die Masse des Hauses sind mit „Schuh“ angegeben. Nach Walter Winter mass 1 Schuh (österreichischer Fuss) 31,6 Zentimeter.
51 Schuh = 16,11 Meter Länge
33 Schuh = 10,43 Meter Breite
18 Schuh = 5,69 Meter Höhe
Brandkataster 1835:
Jakob Bürgische 5 Kinder. 1835 durch bedeutende Verbesserungen den Werth erhöht um 1000 auf 3000 Fr.
Brandkataster 1848:
A) Wilhelm Bürgin: 1 Wohnhaus, 2 Stock hoch, Ziegeldach, die Hälfte Scheuer und Stallung, und Hufschmiede, auf der hinteren Seite ein angebautes Waschhaus. 51 x 33 x18. 2400 Fr.
B) Jakob Bürgin, die Hälfte von obiger Scheuer und Stallung, 600 Fr.
[J. Bürgin baut 1848 auf der Westseite ein Wohnhaus an (heute Ass. 92)]
Brandkataster 1850:
Nr. 77 (alt 60), Wilhelm Bürgi, Hufschmied. Wohnhaus mit Hufschmiede, samt Scheune und Stall, Anbau mit Laube, Waschhaus und Kammer, von Stein und Riegel. 2 Stock. Tremkeller (Erklärung: Kellerraum mit Balkendecken), Ziegeldach.
A: Wilhelm Bürgi, Hufschmied, ab 1863 Joseph Güntert, Antons. Wohnhaus und ½
Scheune mit Stall.
B: Jakob Bürgi, Wagner., ab 1854 Wilhelm Bürgi, ab 1863 Bonaventur Güntert: ½
Scheune.
Brandkataster 1876:
Nr. 78 (alt 77) Wohnhaus mit Scheune, Anbau mit Laube, Waschhaus. Stein, Riegel, Holz. Gewölbekeller.
Aufgeteilt A: Josef Güntert: 2 Wohnungen, ½ Scheune und alle Anbauten, 5800 Fr. –
B: Siegfried Tschudy (vom Nachbarhaus) – 1884: Beide Hausteile erworben von Sigmund Waldmeyer, Küfer.-
Brandkataster 1899:
Ass. 93 (alt 78), Sigmund Waldmeyer. (Heute Säckingerhof 2). Ab 1925 Otto Waldmeyer. Wohnhaus, Scheune und Schopfanbau. Stein, Riegel, Holz. Ziegeldach. – Ohne Brandmauer zu Ass. 92.
Vom angebauten Nachbargebäude westlich ist im Kataster zu lesen:
1848:
eingetragen für Jakob Bürgin. Wohnhaus, 2 Stock hoch, Tremkeller, Wagnerwerkstatt, das Ganze von Stein, Ziegeldach. 26 x 34 x 18. 2400 Fr.
1850:
Nr. 76 (alt 88), Jakob Bürgi, Wagner. Wohnhaus mit Wagnerwerkstatt und Eisenladen von Stein 2 Stock hoch. Oberer Stock überbaut und auf steinernen Säulen stehend.
Von Stein 2 Stock hoch, Ziegeldach. (27 x 80 x 18 Schuh). 1854 Wilhelm Bürgi, Hufschmied. 1861 Bonaventur Güntert.
1876:
Nr. 77 (alt 76), Schmiede. Siegfried Tschudy. Wohnhaus und Anbau mit Holzschopf, Stein, Tremkeller. Ab 1889 Albert Hurt, sogleich Anbau mit Schmiede [nach Norden? heute Garage?] und Verbesserung von 4500 auf 5000. 1897 verbessert auf 7000 Franken.
1899:
Ass. 92 (alt 77), Albert Hurt. (Wohnhaus Hauptstrasse 27, Westannex zu Säckingerhof 2) Wohnhaus, Schmiede und Schopf; Stein, Riegel, Ziegeldach.
Quellen zum Brandkataster:
Edith Hunziker, Kunstdenkmäler-Inventarisatorin Kt. Aargau, 2007/08a
StAAG, CA.0001/0561, Brandkataster 1899-1938 = BK 1899
StAAG, CA.0001/0560, Brandkataster 1876-1898 [ein Doppel im GdA Mumpf, Brandkataster 1876] = BK 1876
StAAG, CA.0001/0559, Brandkataster 1850-1875 = BK 1850
GdA Brandkataster 1828-1849 = 1828 (mit Verweis auf Gebäudenummern im Brandkataster 1806; dieses älteste Brandkatasterbuch ist weder im Gemeinde- noch im Staatsarchiv erhalten)
Vermittlung durch Walter Winter, Münchwilen
Die Lage des Bauernhofs
Er wurde gegenüber der Kirche angrenzend an die Hauptstrasse, die damalige Ankengasse/Trottgasse und den Talbach (Fischingerbach) gebaut.In der Darstellung im 1775 erstellten Bannplan markiert der blaue Punkt die Hufschmiede mit dem angebauten Schopf mit einem Kohlenbehälter, am Talbach gelegen.
Im Generalplan 1859 und in den Luftaufnahmen von 1949 und von 1954 sind der Säckingerhof 2 und die angrenzende Schmitte am Fischingerbach klar zu erkennen.
In der Siegfriedkarte ist die Lage des Säckingerhofs 2 an der Ankengasse/Trottgasse gut zu ersehen. Beim Bau der neuen Obermumpferstrasse um 1916, die in doppelter Breite erstellt wurde, musste ein Teil der Scheune deswegen abgerissen werden. Die abgetretene Fläche konnte durch eine südlich angelegte Scheunen-Erweiterung kompensiert werden. Allerdings „verschwand“ dadurch die Laube, d.h. es entstand hier eine Werkstatt. Die Siegfried-Karte zeigt den rot eingerahmten Komplex Säckingerhof 2/Schmitte und ebenfalls rot, den Verlauf der Ankengasse/Trottgasse, welche in die „Alte Obermumpferstrasse“ einmündet.
Exkurs: Im Kataster von 1828 wird eine Hufschmiede und ein angebauter Schopf mit einem Kohlenbehälter erwähnt.
Mumpf besass damals zwei Schmitten. 1775 stellte der unterthänig gehorsame Gregori Bürgin Hufschmidt zu Mumpf das Gesuch an die vorderrösterreichische Obrigkeit, fremdes französisches Eisen einführen zu dürfen, weil ihn die Qualität vom hiesigen Eisen nicht zufrieden stellte.
Ob dieser Gregori Bürgin mit den im Brandkataster erwähnten Bürgins verwandt war, ist nicht eruierbar.
Der Bau muss in die heutige Obermumpferstrasse hineingeragt haben. Wie die folgenden Abbildungen zeigen, könnte es sich um einen Schopf gehandelt haben.
Das Baujahr 1711 ist bei der Stalltüre im rechten Pfosten eingeritzt worden.
Der Erbauer dürfte Eberhart Hertzog geheissen haben. Die linke Türumrandung erscheint als geschmälert. Möglicherweise könnte dabei der Anfangsbuchstabe E verschwunden sein.
Das zweite Bild ist der Versuch einer gewagten Rekonstruktion mit dem Buchstaben E in einem breiteren Türrahmen.
Die Nordfassade des Bauernhauses
Das Haus besass zwei Eingänge, der eine zu Scheune und Stall, der andere zum Wohnbereich. Im Laufe der Zeit erfolgten immer wieder Anpassungen und Erweiterungen. Es wird vermutet, dass das Haus vorerst nur einem Haushalt diente und der obere Boden zu einem späteren Zeitpunkt in eine eigenständige Wohnung ausgebaut wurde. Das vierte Fenster im oberen Boden (auf dem Bild mit geschlossenen Fensterläden) unter dem verlängerten Scheunen-Vordach dürfte bei einem späteren Zimmereinbau über dem Stall angebracht worden sein.
Das Bauernhaus von 1711 ist ein Steinbau-Riegelbauhaus. Unter dem Verputz erscheint die Bruchsteinmauer.
Spaziergang durch das 1711 erbaute Haus
Die untere Wohnung besass eine Stube, zwei Zimmer und eine Küche.
Der Kachelofen in der unteren Stube, daneben der Kochherd in der dazugehörenden Küche.
Die untere Stube diente später als Ladenlokal.
Der Schüttstein in der unteren Küche.
Die Wände der unteren und oberen Wohnräume wie auch ein Kästchen waren mit hübschen Tapeten versehen, aus dem späten 19. oder dem frühen 20. Jahrhundert.
Der Kachelofen in der oberen Stube reichte ins Schlafzimmer nebenan hinein.
Kachelofendetail
Der Ofen der oberen Küche beheizte die oberen Wohnräume.
Der Schüttstein im 1. Stock gegen Süden.
Der Säckingerhof ist ein Riegelbau. Die Ostmauer der neuen Schmitte wurde beim Bau dicht an dicht mit der Westmauer vom Säckingerhof 2 verbunden. Im Gebälk eingekerbt finden sich Zeichen der Zimmermannssprache.
Es gibt nur einen Kellerraum. Vermutlich stammt der Gewölbekeller aus der Bauzeit des Bauernhauses. Es bestand stets die Gefahr, dass das Wasser des Fischingerbaches ihn überschwemmte.
Die Scheune mit dem Eingangstor im Norden. Nach der Balkenkonstruktion muss der Stall auf der linken Seite um 1920 umgebaut worden sein. Er bot nun Platz für etwa 20 Kühe. Rechts in der Mauer ist ein dunkler Balken sichtbar. Hier könnte ein Durchgang noch Osten gewesen sein in einen nächsten Raum, der jedoch dem Bau der Obermumpferstrasse (1916) weichen musste. In der Folge wurde an der Südfront ein etwa gleich grosser Anbau neu erstellt.
Die Laube im ersten Stock verschwand durch diesen Anbau. Auch wurde ein Fenster der unteren Wohnung zugemauert. Dazwischen befand sich die hintere Ausgangstüre.
Diese Türe war an der Oberkante versehen mit einer lieblichen Verzierung, genannt Doppelwellenband, wie dieses aus der Engadiner Sgrafittokunst bekannt ist mit der Bedeutung: Ewiger Kreislauf des Lebens, Werden und Vergehen, Fruchtbarkeit und Glück.
Drei von sechs Generationen Waldmeier bewohnten den Säckingerhof
Die Ahnenfolge Waldmeier
Joseph Waldmeyer (1749 - 1830)
⚭ 1777 - erste Ehefrau: Helena Wunderlin (1754 - 1787)
Maria Anna (1778 - ?)
Joseph (1779 - ?)
Helena (1780 - ?)
Kasimir (1782 - 1852)
Maria Kreszenz (1784 - ?)
Bernhard (1786 - ?)
⚭ 1789 - zweite Ehefrau: Helena Stocker (1750 - 1796)
kinderlos
⚭ 1796 - dritte Ehefrau: Magdalena Rau (1758 - 1812)
Agatha (1797 - 1866)
Franz Xaver (1798 - ?)
Anton (1800 - ?)
Apolonia (1802 - 1835)
Theresia (1804 - ?)
Kasimir Waldmeyer (1782 - 1852)
⚭ 1809 - Erste Ehefrau: Rosa Hurt (1783 - 1814)
kinderlos
⚭ 1816 - Zweite Ehefrau: Kunigunde Beinhart (1789 - 1863)
Friedolin (1818 - ?)
Joseph (1820 - 1883)
Sophia (1822 - ?)
Johann Evangelist (1824 - 1833)
Adelheid (1826 - 1827)
Kasimir (1828 - 1831)
Joseph (1820-1883) und Emillie (1823-1895 ) Waldmeyer-Bitter, ⚭ 1852
Kasimir (1853 - ?)
Emil (1855 - 1855)
Sigmund (1857 - 1901) (Küfer)
Maria (1862 - ?)
Balduin (1865 - ?)
Sigmund (1857 - 1901) und Karolina (1859 - 1945) Waldmeier-Güntert, ⚭ 1884, Küfer
Zeno (1885 - 1888)
Fritz Waldmeier, (1886 - 1974) (Bauarbeiter)
Louisa Waldmeier, (1888 - 1966) (Fabrikarbeiterin)
Otto Waldmeier, (1889 - 1939)
Otto (1889 - 1939) und Agnes (1899 - 1980) Waldmeier-Wunderlin, ⚭ 1925, Landwirt
Anna (1926 - 2009) und Max Winter-Waldmeier, ⚭ 1955
Otto Waldmeier (1927 - 1998)
Rosa (1929 - 2010) und Friedrich Koch-Waldmeier
Otto Waldmeier (1927 - 1998), Landwirt
Die Menschen und ihre Geschichten
Die Familie von Sigmund und Karolina Waldmeier-Güntert
Sigmund Waldmeier (1857 - 1901)
Sigmund Waldmeier erwarb den Bauernhof im Jahr 1884 im Alter von 27 Jahren.
Als Kleinbauer gehörte er zur minderen Gesellschaftsschicht im Dorf. Die Landwirtschaft umfasste grundsätzlich Ackerbau, Viehzucht und Waldbewirtschaftung. Kleinlandwirte arbeiteten vor allem für die Eigenversorgung mit Gemüse, Obst, Getreide und Milch.
Oft stellten sich die Kleinbauern als Tagelöhner auf Abruf zur Verfügung, wenn bei den Grossbauern viel Arbeit bevor stand.
Sigmund wurde gerade einmal 44 Jahre alt. Über sein frühes Ableben ist nichts bekannt.
Die Familie: Sitzend Witwe Karolina Waldmeier-Güntert, Sohn Otto Waldmeier, stehend Sohn Fritz und Tochter Louisa.
Karolina Waldmeier-Güntert (1859 - 1945)
Ab 1901 blieb Siegmund Waldmeier’s Frau Lina (Karolina) mit ihren drei Kindern ohne den Ernährer zurück auf dem kleinen Bauernhof. In dieser Not muss sie sich entschlossen haben, im Erdgeschoss einen Lebensmittelladen einzurichten - oder vielleicht nannte sie ihn auch Krämerladen. Dafür opferte sie die gute Stube.
Das Sortiment kann nicht unermesslich gewesen sein. Die allermeisten Mumpfer waren Selbstversorger, so dass das Warenangebot eher „mager“ ausfiel. Denn für den Gemüse- und Obstanbau besassen sie Wiesen, Gärten und Bündten. Auch Hühner-, Schweine- und kleinere Viehhaltungen gehörten zum Alltag. Ausserdem gab es noch andere Handlungen im Dorf, und auch eine Bäckerei und eine Metzgerei.
Besonders die Kurgäste liebten die Früchte, die in diesem kleinen Laden angeboten wurden.
Was könnte Lina sonst noch in den Gestellen angeboten haben? Also: die Ladenglocke bimmelt und feine Düfte kommen uns entgegen, vielleicht von Kernseifen und Kaffeebohnen und aus Öl- und Essigfässern. Wir sehen Zündhölzer, Postkarten, Glühlampen, Schreib- und Tabakwaren. Säcke auf Regalen oder auf dem Boden sind gefüllt mit fremden Gewürzen, Zucker, Mehl und Salz. Die Kunden bringen ihre eigenen Gefässe zum Abfüllen mit, weil vieles noch lange lose verkauft wurde. Bei der Kasse steht eine Waage und eine Berechnungstabelle. Und ganz nahe ebenfalls ein grosses Glas, gefüllt mit Schleckereien.
Aber auch „Neumodisches“ muss sich in den Gestellen befunden haben. Etwa die „Maggi-Würze“, Ovomaltinebüchsen, Kondensmilch und Schokolade.
Besonders gerne besuchten Kinder diesen Laden. Am Schluss eines Einkaufs, und war er noch so klein, gab es stets ein Bonbon zum Abschied.
Karolina muss den Laden auch noch 1940 geführt haben, wie sich Zeitzeugin Agathe Wunderlin-Güntert erinnert.
Louise Waldmeier (1888 - 1966)
Als Tocher von Siegfried und Karolina lebte sie im selben Haus, mit ihrer Tochter Anna, 1911 geboren.
Louise war von einem Mumpfer geschwängert worden, ohne dass dieser eine Heirat eingehen wollte. So blieb die Kinderbetreuung zum grossen Teil bei Grossmutter Lina, während die junge Mutter Louise in einer der Säckinger Textilfabriken tagsüber einer Arbeit nachgehen musste. In Säckingen gab es eine blühende Textilindustrie mit Stoff-, Band- und Hosenträgerfabriken.
Täglich fuhr sie in der Früh mit der Fähre über den Rhein, oft in Gesellschaft von Frauen und Männern aus Zuzgen und dem Fischingertal, die ebenfalls in einer der Säckinger Fabriken Arbeit fanden. Ihre Löhne wurden in Mark ausbezahlt und so gab es im Fricktal mehr deutsches Geld als Schweizerfranken,
Eines von den übrigen Mitgliedern der Familie Waldmeier fuhr gegen Mittag ebenfalls über den Rhein, um der entgegenkommenden Louise ein warmes Mittagessen zu überbringen. Das konnte Mutter Lina gewesen sein oder ihre Brüder Fritz und Otto - oder ein anderer Mahlzeitenbote aus Mumpf.
Louise bekam dann später doch noch ein Heiratsangebot des Erzeugers. Doch sie, eine vermutlich starke und selbsbewusste Frau, lehnte ab, was vermutlich viel Kraft von ihr abforderte, den eigenständigen Lebensweg weiterzugehen. Ob sie Alimente erhalten hatte, ist nicht bekannt.
Fritz Waldmeier (1886 - 1974)
Als ältester Sohn übernahm er nicht nach der Gewohnheit den Hof. Fritz ist als Bauarbeiter vermerkt. Er war verheiratet mit Anna Agatha Güntert (1887 - 1947) aus dem badischen Nollingen und wohnhaft in Rheinfelden. Die Ehe blieb kinderlos.
Die Lebensbedingungen der Familie Siegmund und Karolina Waldmeier-Güntert
Das Geld spielte auch damals eine wichtige Rolle. Im Jahr 1914 kostet Tafelbutter Fr. 3.80 pro kg, Kaffee Fr. 2.60 pro kg, Käse Fr. 2.27 pro kg, Brot 35 Rp. pro kg und Milch 24 Rp. pro Liter.
Tagelöhner erhielten gemäss einer Lohntabelle aus dem Jahr 1906 je nach Funktion Fr. 2.80 bis Fr. 6.25 am Tag. Festangestellte bekamen zwischen 115 und 210 Franken pro Monat.
In Säckingen bestand die Möglichkeit für Kleinbauern, in den acht Textilfabriken eine zusätzliche Einnahmensquelle zu finden. Darunter waren Menschen aus dem Schwarzwald wie aus dem Fricktal.
Geschwellte Kartoffeln, Brot, Wein und Tee oder Milchkaffee, so könnte ein Mittagessen bei Waldmeiers ausgesehen haben. Hie und da war noch ein Ei dabei.
Die Familie von Otto und Agnes Waldmeier-Wunderlin
Otto Waldmeier (1889 - 1939)
Er kannte verschiedene Zweige des Familienunterhaltes: Als Kleinlandwirt, Angestellter der AEW (Aargauische Elektrizitätswerke) und als Fährmann. Es versteht sich, dass er ebenfalls Pontonier war, der auch an Wettkämpfen Auszeichnungen erhielt.
Er hatte mehrfach mit seiner Gesundheit zu kämpfen. Bei einem Unfall mit einer Telefonstange 1931 erlitt er einen komplizierten Unterschenkelbruch. Das linke Fussgelenk versteifte sich und das linke Bein wurde um zwei bis drei Zentimeter kürzer.
Im Januar 1932 stürzte er auf dem Glatteis. Dabei erlitt er einen Oberschenkelbruch. In der Folge erhielt er eine IV-Rente zwischen 40 und 50 Prozent. Ein Jahr später hatte er eine Lungenentzündung mit Eiteransammlung. Im Mai 1934 fuhr ein Auto in den Jauchewagen und schleuderte den darauf sitzenden Otto zu Boden. Dabei brach ihm das rechte Fersenbein.
Im 2. Weltkrieg leistete er Hilfsdienst. Er hatte Bewachungsaufgaben in Obermumpf übernommen. Nach seiner Ablösung begab er sich nach Einbruch der Dunkelheit mit dem Velo Richtung Mumpf, ohne Velobeleuchtung, weil das Lichtmachen in der Nacht verboten war. „Man“ munkelte, dass auch Alkohol eine Rolle spielte. Dabei stürzte er in den Fischingerbach, wo er am Morgen tot aufgefunden wurde.
Sein Tod wurde in den „Freiburger Nachrichten“ vom 12. Dezember 1939 vermeldet:
Otto Waldmeier leistete bereits im 1. Weltkrieg seinen Militärdienst. Gemäss seinem Militär-Käppi, auch „Tschako“ genannt, war er bei den Sappeuren eingeteilt. Seine genagelten Ordonnanzschuhe musste Otto Waldmeier beim Militär kaufen. Und zwar im Zeughaus zum herabgesetzten Preis von Fr. 10.—. Die eigentlichen Kosten betrugen 17.50 Fr. Nach 80 Diensttagen konnte er ein zweites und nach 110 Tagen ein drittes Paar zum selben Preis beziehen.
Auch sein Pferd leistete Armeedienst. Für die Betreuung waren Kavallerie-Soldaten zuständig, wie die Aufnahme vor der Scheune zeigt.
Waldmeiers besassen unter der Mumpferfluh Rebland. Nachdem man durch den Reblausbefall um 1905 die letzten Rebstöcke ausriss und 1906 die Trotte abbaute, wurden hier durch Otto Waldmeier nun Obstbäume gepflanzt, darunter viele Kirschbäume. Auch erweiterte er durch den Einbau eines Stalles um 1920 seinen Betrieb durch Milchwirtschaft.
Vom Rebenanbau dürfte ein Zapfhahn Zeugnis geben, der unter den Gerätschaften gefunden wurde. Darauf ist mit Filzstift aufnotiert:
V. Ze(h)ntenabgabe aus Mumpf f. Kloster Säckingen stammend
Diese Notiz stammt von Otto II. Ob die Angabe stimmt, ist nicht eruierbar.
Agnes Waldmeier-Wunderlin (1899 - 1980)
Die Frau von Otto Waldmeier stammte aus der Familie des Vizeammanns Daniel Wunderlin. Auf ihr lastete vermehrt Verantwortung in der landwirtschaftlichen Arbeit durch die gesundheitlichen Probleme ihres Mannes und dann erst recht durch seinen Unfalltod.
Doch sie war das strenge Arbeiten gewohnt. Gleich nach der Schule trat sie in Basel als Dienstmädchen in einen vornehmen Haushalt ein, wo sie das Haushalten von Grund auf erlernen konnte.
Otto hinterliess die 13-jährige Anna, den 12-jährigen Otto und die 10-jährige Rosa und seine 40-jährige Frau Agnes.
Offenbar war die Ortsvertretung AEW nach dem Tod von Vater Otto in der Familie geblieben. Mit der Zeit lernten die Kinder „den Strom ablesen“ und die Zahl auf dem „Lichtzettel“ zu notieren, wie Tochter Anna in einem Brief schrieb. Solche Nebeneinkünfte waren ein wichtiger Erwerbs-Zweig in einem Kleinbauernbetrieb.
Weil Otto Waldmeier durch einen Unfall im Militärdienst starb, erhielt die Familie ein kleine Rente durch die Militärversicherung. Ausgelöst wurde das Gesuch durch den Arzt Doktor Bollag aus Stein und einen Juristen aus Baden. Wie gross die Rente monatlich war, ist nicht eruierbar.
Bald nach dem Tod von Vater Otto, vermutlich im Januar 1940, zeigte sich der Gesundheitszustand des jungen Otto derart angegriffen, dass er für zwei Monate in einem Kurheim untergebracht wurde. In einem Brief schrieb ihm seine 14-jährige Schwester Anna: „Wir haben gestern die frühen Kartoffeln gesetzt. Ich lerne nun melken, ich kann es bald. Ich hab dir gestern noch ein paar Schenkeli gemacht.“
Die älteste Tochter Anna musste also schon als Schülerin ganz viel Verantwortung im Haushalt, im Stall und auf dem Acker übernommen haben.
In ihrem Lebensrückblick schrieb diese Anna: “Nur durch die Mithilfe der Geschwister von der Mutter (Anm.: Der Familie Wunderlin) und guter Nachbarn konnte der Betrieb teilweise weitergeführt werden.“ Die eigenen Sonderleistungen von ihr und den Geschwistern erwähnte sie mit keiner Zeile.
Die jüngste Tochter Rosa kam 1929 auf die Welt. Wie es sich so gehörte, erschien am Tag nach der Geburt Vater Otto in der Gemeindekanzlei und meldete die Tochter bei Gemeindeschreiber Albert Güntert an. Dieser war eigentlich der heimliche König der Gemeinde, der für immerwährende Korrektheit zu sorgen hatte. Als Vorname ihrer Tochter hatten Otto und Agnes „Angela“ gewählt. Doch das gehe nicht, erhielt er als Bescheid, dies sei kein einheimischer Name. Otto musste also einen andern Namen suchen. Er entschied sich innert Kürze zum ganz gewöhnlichen Vornamen „Rosa“.
Drei Generationen: Sohn Otto Waldmeier, Mutter Agnes Waldmeier-Wunderlin, Tochter Rosa Koch-Waldmeier mit klein Werner und Tochter Anna Winter-Waldmeier.
Von links: Grossmutter Agnes Waldmeier-Wunderlin, ihre Schwester Anna Füchter-Wunderlin, Urgrossmutter Luisa Wunderlin-Kym, Anna Hasler mit dem etwa sechs Jahre alten Walter Winter neben sich, Tochter Anna und Schwiegersohn Max Winter-Waldmeier mit ihren drei Mädchen Helene, Rita und Sonja.
(Anna Hasler lebte im Haushalt der Familie Fritz und Mina Winter-Gertiser in Münchwilen,)
Der ledige Otto Waldmeier (1927 - 1998)
Nach alter Gewohnheit übernahm er als Sohn den elterlichen Betrieb. Otto konnte keine Lehre absolvieren, sondern musste nach der Schule gleich den Hof übernehmen. Er nahm jedoch während drei Jahren fleissig am landwirtschaftlichen Fortbildungskurs teil, der jeweilen in den Wintermonaten an den Samstagmorgen angeboten wurde.
In seiner Kindheit musste „Otteli“ sich einem Kuraufenthalt unterziehen, wie etliche andere Mumpfer Kinder auch. Ein Brief seiner Schwestern Anneli und Rösli vermittelt einen Einblick in die Zeit um 1940.
Er muss sich gut erholt haben. In seinem Fotonachlass lässt eine Postkarte vom Höhenkurort Klosters auf die Stätte seiner Heilung schliessen. Die harte Arbeit liess ihn auch stark werden, so dass er beim Eidgenössischen Pontonierwettfahren 1946 in Murgenthal im Einzelfahren im Weidling zusammen mit Fridolin Gut als 19-Jähriger den Schweizermeistertitel erringen konnte.
Otto Waldmeier II führte einen vielseitigen Landwirtschaftsbetrieb.
Unter der Fluh in den „Reben“ bearbeitete er grosse Wiesenflächen mit einem reichen Obstbaumbestand. Stets baute er seinen Landbesitz aus, wenn wieder ein Kleinbauer aufgab. So besass er Richtung Zeiningen und in der Hardlimatte grössere Landflächen, wo er Mais, Getreide, Runkeln (Durlipse) und Kartoffeln anbaute. In der Winterzeit erhielt er durch den Förster Arbeit im Wald.
1966 wurden seine Kühe von der Maul- und Klauenseuche befallen und mussten „abgetan“ werden. Das brach ihm, dem Tierfreund, das Herz. Zeit seines Lebens kam er nicht mehr von diesem Schlag los. Der Stall blieb ab 1966 leer. Er hielt sich dann lediglich noch ein Pferd als „Knecht“ auf dem Feld.
Im „Bund“ vom 26. April 1966 wird die Maul- und Klauenseuche erwähnt:
Aus seiner Landwirtezeit sind noch einige Fotos erhalten.1962 entstand eine Aufnahme beim Heuen: Das Fuder geladen, der Bindbaum in der Mitte darüber gelegt, das Heuseil mit dem Bindbaumlätsch (Seilknoten) umwickelt und nach unten gezogen. Im Schatten des Baumes in der Widmatt sassen Frau Güntert-Gutmann und Mutter Agnes Waldmeier, im Hintergrund mähten Adolf und Fritz Kaufmann (Küefer’s). Otto konnte gut mit den Pferden umgehen, auch bei der Ackerarbeit. Die tägliche Arbeit mit den Kühen wie melken oder Kälblein pflegen liessen keine Ferien zu. Beim Kirschenverlesen gab es manche Schleckmäuler. Und auch die Kurgäste interessierten sich sehr für seine Früchte, was für Otto eine willkommene Zusatzeinnahme bedeutete.
Alle Waldmeiers hielten regelmässig zwei Säue. Und das bedeutete jährlich eine Hausmetzgete und die Absicherung der Selbstversorgung. Es kam Störmetzger Max Winter vorbei. Er schlachtete und verarbeitete die Tiere direkt auf dem Bauernhof. Nach dem Schuss wurde die Sau ausgeblutet. Im heissen Wasserbad im Zuber schabte er der Sau die Borsten ab. Lunge, Niere und Leber wurden gekocht, um sie danach für die Leberwürste weiter zu verarbeiten. Die Därme wurden gebraucht für die Würste, der Schinken für ein paar Tage in einer Bütte in einer Beize (Pökellake) eingelegt und danach geräuchert.
Eine gemetzgete Sau ergab gegen 30 Blutwürste, 40 Leberwürste, 80 Bratwürste und 120 Rauchwürstli, zusätzlich auch Schinken, Speck und Koteletts. Da die Blut-, Leber- und Bratwürste nicht gekühlt werden konnten, gingen Kinder damit von Haus zu Haus, um diese bei Verwandten und Bekannten vorbeizubringen. Die Metzgeten im Dorf wurden koordiniert, damit diese Waren nicht alle gleichzeitig anfielen.
Die Tradition der Waldmeierschen Hausmetzgete endete mit dem Schlaganfall von Mutter Agnes 1967.
Otto Waldmeier war ein Original in vielen Belangen.
Mutter Agnes wollte nicht auf seinem Töff zu den Äckern gebracht werden. Doch sie hatte Vertrauen beim Transport im Veloanhänger. Otto besass nie ein Auto, jedoch eine Lambretta, später eine Vespa. Er erwarb sich dazu die Motorradnummer AG 4322, was der Mumpfer Postleitzahl entsprach. Diese Nummer war ihm „heilig“.
Otto war ein Katzenfreund. Man erzählte sich, dass er für Katzen in der Hardlimatt und unter der Mumpferfluh mehr Geld ausgab als für sich selber. Und er galt als eifriger Sammler. Er fand die aufkommende „Wegwerfkultur“ verwerflich und so wurden sein Hof, die Hausgänge und die Stube auch zu Lagerstätten.
Otto als Junggeselle liess für die Verpflegung auf dem Feld jeweils am Freitag eine Wähe backen: Er brachte Früchte und den Guss aus Eiern, Milch, Rahm und Zucker zum Bäcker Zumbühl, wo der Teig und der heisse Backofen schon parat waren.
Otto war kein Hausmann, er konnte zwar kochen, doch Geschirr abwaschen, Wohnung putzen, Wäsche wechseln, waren nicht seine Stärken. Da freute er sich, wenn seine Schwester Anna und ihre Töchter regelmässig bei ihm vorbei kamen.
Handwerklich hingegen konnte er seine Begabung ausleben. Schon als Knabe stellte er feine Laubsäge-Arbeiten her. Dann eignete er sich handwerkliche Fähigkeiten an und fertigte in der Winterzeit Holzleitern, die dann in den Erntemonaten zum Einsatz oder andernorts zum Verkauf kamen.
Otto betätigte sich auch als Imker und Schnapsbrenner. Alkohol trank er jedoch selten.
In der Kirschenpflückzeit achtete er streng darauf, dass seine „Chriesibuebe“ ja keinen Ast, ja nicht einmal ein Ästlein abbrachen. Das konnte ihn „fuchsteufelswild“ machen. Wenn von unten noch zwei Kirschen sichtbar hängen blieben, schickte er die Buben nochmals die Hochbaum-Leiter hinauf!
Seine Familie besass ein altes Rezeptbuch. Danach stellte er einen eigenen „Burgermeister“ als Kräuterschnaps her sowie „Chriesiwy“. Das Rezept für 100 Liter ist noch vorhanden:
Recherche:
Gerhard Trottmann
Quellen:
Helene Bättig, Magden;
Walter Winter, Münchwilen;
Martin Lauber, Horgen;
Adrian Keller, Zivilstandsamt Rheinfelden;
Cecilie Gut, Archäologin Kt. Aargau.
Zeitungsarchive