Anwohner und Kutscher beschwerten sich über den „Automobilunfug“. Staubwolken, Geknatter, Gestank von Benzin und Schmieröl und das Benehmen der „Auto-Protzen“ störte das Fussvolk. Auch das Fehlverhalten vieler Autofahrer förderte den Unmut. Für manche Herren am Steuerrad erhielt eine Ausfahrt erst dann das richtig sportliche Gefühl, wenn er Hunde oder Federvieh überfahren konnte. (1)
So gibt es in der Zeitung „Bote vom Untersee und Rhein“ vom 5. Juli 1904 zu lesen:

Es begann ein allgemeines Aufbäumen gegen ein „stinkendes und lärmendes Ungetüm“. Am 17. August 1900 verbot die Kantonsregierung Graubündens das Fahren mit Automobilen auf sämtlichen Strassen des Kantons. 1908 forderten im Aargau 42 Gemeinden ein Autoverbot. (2)
Gegen die Autofahrer als „rücksichtslose Herrenfahrer“ mit ihren „Stinkkarren“ gab es Fäusteschütteln, Zungeherausstrecken, den Hintern zeigen und Steinwürfe. Unbekannte unterbrachen in Küssnacht die Strasse nach Luzern mit einem dicken Draht. Autofahrer in der Innerschweiz wurden mit Wasser oder mit Gülle bespritzt, andere von Mistgabeln oder Ochsenpeitschen aufgehalten, wieder andere legten Hindernisse wie Baumstrünke oder Steine auf die Strassen. Und in Berlin wurden 1913 gar zwei Insassen eines Kabrioletts durch ein straff gespanntes Seil regelrecht geköpft. (3) Es gab halt noch keine Windschutzscheiben!
Die Motor-Wagen wurden als „gefährliche Spielzeuge müssiger Sportsleute“ bezeichnet. In den Zeitungen gab es Schlagwörter wie:

Auch Mumpf wehrt sich gegen die „Autoraser“ und „Kilometerfresser“!
Es war 1907. Die Hauptstrasse zwischen Zürich und Basel durch Mumpf war breiter als auch schon. Aber sie war längst nicht geteert. Das Aufkommen des Autoverkehrs brachte grosse Unruhe in den beschaulichen Kurort. Vorbei war die Idylle! Vor allem bei der abfallenden Dorfeinfahrt von Stein her entwickelten die motorisierten Vehikel gewaltige Staubwolken, heulenden Motorenlärm und stinkende Abgase für das ganze Dorf. Die Kurgäste beschwerten sich. Die Autofahrer bezeichnete man Autoraser und Kilometerfresser.
Und die Mumpfer wurden erfinderisch: Sie stellten zwei schwenkbare bemalte Schlagbäume auf, den einen von Möhlin her kurz vor dem „Adler“, den andern am Osteingang vor dem Flösserweg. Das Ausfahren dieser Schranken bewirkten ein Anhalten der Vehikel und die Entrichtung einer Gebühr! Die Aktion fand landesweit grosse Beachtung und sogar Nachahmung, aber auch Wut und Gegenwehr.
Die Fotografie zeigt die Strassen-Barriere, welche nach der Entrichtung einer Gebühr die Strasse freigegeben hatte. Der Einzüger dürfte gleich daneben stehen.

In der „Neue Zürcher Zeitung“ stand:
„In Mumpf etwa stellten die Anwohner den Autofahrern im Jahr 1907 Schlagbäume in den Weg, sogenannte Autofallen, um ihr Tempo zu drosseln.“
Andernorts war die Sache so beschrieben:
„Im Schweizer Dörfchen Mumpf wurden schon 1908 erste Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt. Ein- und ausgangs des Dorfes gab es Schlagbäume (Schranken), in den Büschen dazwischen versteckte Tempo-Wächter. Erschien ein Auto in den Augen des Gesetzes zu schnell, ging der Schlagbaum runter - und der Fahrer musste eine Busse zahlen!“
Der Historiker Ch. M. Merki berichtet:
„Die Aargauer Gemeinde Mumpf installierte 1907 eine Schranke, die von jedem Bürger heruntergelassen werden konnte, der einen „Raser“ oder „Kilometerfresser“ zum Anhalten bewegen wollte. Das sich kolonisiert fühlende Mumpf lag an dem Weg, den süddeutsche Ferienreisende wählten, um möglichst schnell an die Gestade des Vierwaldstättersees oder ins Berner Oberland zu gelangen.“(4)
Die Lobby der Autofahrer, die Automobil-Revue, Nr. 5, 13. März 1909 schreibt:
„Die Verordnung des Gemeinderats von Mumpf sah die Errichtung von Schlagbäumen vor, die jedermann hätte schliessen dürfen und wobei es ihm erlaubt gewesen wäre, von dem angehaltenen Automobilisten Geld zu erheben. Ein Abonnent stellt uns das nebenstehende Bild zu; wir sind somit in der Lage, unsern Lesern einen dieser berüchtigten Schlagbäume zu zeigen. Diese mittelalterliche Einrichtung wird übrigens bald verschwinden, da die kant. Behörde die Verordnung bereits aufgehoben hat.“
Dem Schlagbaum war dann durch die Regierung ein Ende gemacht worden. Die „Zürcherische Freitagszeitung“ vom 31. Januar 1908 vermeldete:
„Der Schlagbaum musste auf höheren Befehl wieder entfernt werden.“
Man wollte nach dieser weit bekannten Selbsthilfesaktion nun den demokratischen Weg wählen. Es ergriff der Gemeinderat Mumpf eine Initiative, die in der gesamten Schweizer Presse beachtet wurde. Erst wurden die Fricktaler Gemeinden zu einer Versammlung einberufen, dann wählte der Gemeinderat Mumpf den Weg über den Grossen Rat und die aargauische Regierung, welche dann die Regelungen aufgleiste. Lassen wir die Zeitungen berichten.
Tagblatt der Stadt Thun 9. Januar 1908

Grütlianer, 25. Januar 1908

Neue Zürcher Zeitung, 31. Januar 1908

Intelligenzblatt für die Stadt Bern, 31. Januar 1908

Intelligenzblatt für die Stadt Bern, 7. März 1908

Am 20. März 1908 befasste sich der Aargauische Regierungsrat in seiner Sitzung mit einem Vorstoss des Gemeinderates von Mumpf gegen die Automobilraserei. Am 21. März 1908 war in den „Neuen Zürcher Nachrichten“ dazu folgendes zu lesen:

Die illegalen Mumpfer Strassensperren hatten somit ihre Wirkungen erreicht. Nach angemessener Zeit erhielten die Autos Tempomesser und die Strassen eine Teerfläche.
Recherche:
Gerhard Trottmann
Quellen:
1. „Das Auto als Sinnbild für den arroganten Städter“, von Ilka Seer, Stabsstelle Kommunikation und Marketing, Freie Universität Berlin
2. Energie & Umwelt 4/2017, Magazin der Schweizerischen Energie-Stiftung SES - 4/2017
3. Schweizer Forschungsmagazin Horizonte März 2000: „Eine autofeindliche Schweiz - damals“ von Christoph Dieffenbacher
4. Der holprige Siegeszug des Automobils, Buch von Ch. M. Merki