Die Lesegesellschaft ist der älteste dokumentierte Dorfverein von Mumpf. Im deutschen Sprachraum gab es bereits vor 1800 Lesezirkel mit dem Ziel, die Erwachsenenbildung voranzutreiben. Lesen gehörte zur Volksbildung. Führend waren die Pfarrherren, die das Volk zum Lesen anhalten wollten.
Gründung der Mumpfer Lesegesellschaft
Sie erfolgte am 5. Februar 1843 mit folgendem Vorstand:
Präsident: Pfarrer Josef Vögelin
Vizepräsident: Ammann Bernhard Rau
Aktuar, Bibliothekar: Lehrer Daniel Güntert
Kassier: Wilhelm Rau
Weibel: Das jüngste Mitglied des Vereins
Zu den Mitgliedern zählten auch der Glockenwirt Johann Wunderlin und der Rheinvogt Johann Güntert.
Die Lesegesellschaft führte ein handgeschriebenes Vereins-Buch. Es beginnt mit einer feierlichen Einleitung über drei Seiten. Anschliessend folgen die 20 Artikel zu den Vereinssatzungen mit den Unterschriften der 23 Gründungsmitglieder. Daran angefügt sind die Protokolle über die Sitzungen.
Am Ende dieses Vereins-Buches besteht ein Verzeichnis sämtlicher in der hiesigen Lesegesellschaft angeschafften Werke.
Eine Auswahl von Buchtiteln:
- Das Buch für den Landmann
- Der praktische Landwirth, 1.-3. Band
- Landwirthschaftliche Dorfzeitung, 3. Jahrgang
- Schweizerische Verbesserung der Bauernwirthschaft
- Geschichtsbibliothek fürs Volk
- Volksbibliothek
- Geschichte eines Hamburger Knaben
- Leben und Leiden eines italienischen Grafen
- Meister Natan der Weise
- Trommelschläger
- Der blinde Knabe
- Der verlorene Sohn
- Die beiden Gottfriede
- Anne Bäbi von Gotthelf
- Buch der Welt 1844
- Erdbeschreibung
- Buch für Winterabende 1845
Präambel und Statuten des Lesevereins
Die Einleitung spricht vom Lebensauftrag der Menschen, in Harmonie mit sich und der Welt zu leben: Das Lesen könne die Menschen bilden und belehren, die Geheimnisse und Wunder der Natur näher bringen, es vermöge traurige Bilder der Vergangenheit aufzufangen und der Seele eine frohe Zukunft aufzuzeigen. Es kann die Augen öffnen für das schöne Vaterland. Es will Kenntnisse vermitteln zur Arbeit auf dem Feld, zu den Sitten und Gebräuchen, zur Religion und dem Zusammenleben. Die ersten beiden Abschnitte lauten:
- Wenn der Mensch diejenigen Forderungen erfüllen will, die ihm vom Schöpfer auferlegt werden, so hat er das eine Grosse nicht zu verkennen, das da Noth thut. Und dieses eine Grosse ist, dass der Mensch sich selbst kenne und verstehe.
- Zu diesem Zwecke hat die menschliche Gesellschaft herrliche Anstalten und schöne Vereine, Kirchen und Schulen errichtet, auf dass der Mensch sich sittlich und religiös ausbilde, und endlich Alle durch Eintracht und Liebe zu einer reinen Harmonie vereinige.
Der letzte Abschnitt der Präambel:
Vier Auszüge aus den Statuten:
§9
Der Bibliothekar hat über sämtliche Werke ein genaues Verzeichnis zu führen, bei der Abgabe eines jeden Buches das Datum, und den Empfänger, und bei der Rückgabe allfällige Beschädigungen pünktlich einzutragen.
§ 13
Die Beiträge sollen alljährlich bei der ersten Sitzung eingezogen und für die angeschafften oder anzuschaffenden Werke verwendet; die Letzten hingegen sollen jedes Mal bei der nächstfolgenden Sitzung bezahlt werden.
§ 17
Es soll bei jeder Sitzung ein Verzeichnis sämtlicher Werke vorgelegt und der jedesmalige Kostenvorrath zu Protokoll genommen werden.
Eigentlich wollte man sich jeden Monat einmal versammeln, um zu lesen, sich auszutauschen und neue Bücher zu holen. Doch Feldarbeiten und andere Verpflichtungen verhinderten ein regelmässiges Zusammenkommen. Trotzdem müssen die Mumpfer begierige Leser gewesen sein.
Die Protokolle berichten
- von der nicht befriedigten Leselust verschiedener Mitglieder,
- vom Aufbegehren einzelner Leser gegenüber dem Bibliothekar, wenn Bücher ihrer Vorstellung nicht vorhanden waren,
- von der Schweighausischen Buchhandlung in Basel, die zur Forst- und Landwirtschaft nicht alle gewünschten Werke liefern konnte,
- von der Notwendigkeit, Bücher einzubinden, weil die Abnützung gross war.
Am Ende des ersten Lesejahres ergab die Rechnung folgende Zahlen:
- Mitgliederbeiträge als Einnahmen: Fr. 22.00
- Büchereinkäufe als Ausgaben: Fr. 12.75
- Kassenbestand von Fr. 9.25
Interessanterweise sind zwischen 1844 und 1848 keine Protokolle und keine Jahresrechnungen vorhanden. Entweder wurde der Betrieb reduziert oder es existierte ein zweites Buch. Auch die Protokolle wurden nach kurzer Zeit nicht mehr im Buche nachgeführt. Eine Jahresrechnung scheint nur 1843 erstellt worden zu sein.
Mit Datum vom 5. Januar 1849 erscheint eine Aufstellung, wonach Rechnungen der Schweighausischen Buchhandlung in Basel und eines Waldmeyer in Möhlin ausstehend sind in der Höhe von 85.07 Franken, inbegriffen 5% Zins für 3 ½ Jahre.
Die Bücherschuld wurde auf die Mitglieder verteilt und war in zwei Hälften zu bezahlen: Bis Ende Januar und dann bis Ostern 1849 mit je 22 ½ Batzen. Um diese Zeit muss der Verein etwa 20 Mitglieder gezählt haben.
1849 scheint die Lesegesellschaft eingeschlafen zu sein.
Rechnung an die Lesegesellschaft Mumpf für das Buch „Ungewitter“ in der Ausgabenreihe „Erdbeschreibung“
Quellen:
Unterlagen zur Lesegesellschaft im Gemeindearchiv Mumpf
Autor:
Gerhard Trottmann